Kiel (dpa/lno) – Im Zuge ihres Sparkurses will die Landesregierung auch die Gerichtsstrukturen im Land reformieren. «Es besteht bei den Gerichtsgebäuden ein erheblicher Sanierungsstau, während es gleichzeitig immer schwieriger wird, die teilweise sehr kleinen Organisationseinheiten personell aufrechtzuerhalten», sagte Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU).
Die vier Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig sowie die fünf Arbeitsgerichte in Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster will Schwarz-Grün konzentrieren. Vorbild sollen die beiden Verwaltungsgerichte in Schleswig sein. Künftig soll es demnach auch je ein Arbeits- und ein Sozialgericht erster Instanz und jeweils eine zweite Instanz geben, mit gemeinsamer Verwaltung an einem Standort.
Vier statt neun
Die künftig vier Gerichte im Bereich Arbeits- und Sozialrecht sollen in einem Fachgerichtszentrum untergebracht werden. Zudem ist dort mindestens ein Verhandlungssaal für große Verfahren geplant. Wo dieses zweite Fachgerichtszentrum neben Schleswig entsteht, ist derzeit noch offen. Die Regierung plant dazu ein Anhörungsverfahren. Außerdem soll das bislang in Kiel ansässige Finanzgericht in die frei werdenden Räume des Sozialgerichts in Schleswig umziehen.
Parallel kündigte von der Decken an, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften 25 neue Planstellen erhalten. «Das setzt angesichts der Haushaltslage aber voraus, dass wir an anderer Stelle die Strukturen unserer Gerichtslandschaft verschlanken und sie für die Zukunft effizienter aufstellen», sagte die Ministerin.
Auch die Struktur der Amtsgerichte steht auf dem Prüfstand. Pro Kreis soll es künftig eines geben. Im Land gibt es 11 Kreise und 4 kreisfreie Städte, derzeit aber noch 22 Amtsgerichte.
Kritik der Richter
Der Richterverband warf der Koalition Gutsherrenart vor. «Diese Vorgehensweise lässt uns völlig fassungslos zurück» erklärte die Vorsitzende Christine Schmehl. «Mehrere Hundert Beschäftigte von insgesamt zehn betroffenen Fachgerichten unangekündigt und ohne jeden Dialog quer durchs ganze Land versetzen zu wollen, haben wir bislang in Schleswig-Holstein für unvorstellbar gehalten.»
Den Bürgerinnen und Bürgern ihren ortsnahen Zugang zu den wichtigen Sozial- und Arbeitsgerichten zu nehmen, sei ein Handstreich, erklärte Schmehl. «Wie kann man über die Köpfe aller Betroffenen hinweg einfach so am grünen Tisch derart weitreichende Veränderungen beschließen? Diese Kommunikationsweise erschüttert das Vertrauen aller Justizbeschäftigten nachhaltig und entspricht nicht dem 21. Jahrhundert, sondern der Kaiserzeit.»
Zudem kritisierte Schmehl, dass die geplanten Standorte für die aktuell neun Arbeits- und Sozialgerichte nicht offengelegt würden. «Ein derart aufwendiger Umzug ist binnen so kurzer Zeit aber nur denkbar, wenn bereits jetzt absehbar ist, wohin die Reise geht. Auch darüber schweigen sich die Verantwortlichen lieber aus, ebenso wie über die Wirtschaftlichkeit ihres gesamten Vorhabens.»
Sozialverband schockiert
Auch der Sozialverband SoVD kritisierte die Pläne. Der Verband vertrete jährlich Hunderte Mitglieder vor den vier Sozialgerichten, sagte der Landesvorsitzende Alfred Bornhalm. «Viele sind schon jetzt frustriert. Die Menschen haben das Gefühl, dass ihre Sorgen und Nöte nicht ernst genommen werden.» Diese Pläne seien das Gegenteil von Bürgernähe. «Als wir davon gehört haben, waren wir schockiert.» Bereits jetzt gibt es nach Verbandsangaben Wartezeiten von durchschnittlich weit mehr als zwei Jahren.
Der SPD-Justizpolitiker Marc Timmer will das Thema per Dringlichkeitsantrag noch in dieser Woche zum Thema im Landtag machen. «Was die Landesregierung eine Gerichtsstrukturreform nennt, ist in Wahrheit eine Holzhammermethode für die Beschäftigten in der Justiz», sagte Timmer. Richterinnen und Richter sowie Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes fühlten sich zu Recht vor den Kopf gestoßen.
Kritisch sieht die SPD auch die geplante Schließung von Amtsgerichten. «Das Ziel nur noch eines Amtsgerichts pro Kreis verkennt völlig die Unterschiedlichkeiten der Kreise und der gewachsenen Strukturen», sagte Timmer. Die Entfernungen in Flächenkreisen wie Nordfriesland und Dithmarschen seien deutlich anders zu bewerten als anderswo. «Unabhängig von all dem ist völlig unklar, inwiefern das erhoffte Einsparpotenzial durch die Maßnahmen tatsächlich realisiert werden kann.»