Oldenburg (dpa) – Mitten auf der Nordsee werden von einem fahrenden Frachter in der Dunkelheit wasserdichte Pakete voll mit rund einer Tonne Kokain in die Nordsee geworfen. Drei mutmaßliche Drogenhändler sollen sich von Cuxhaven aus mit einem Fischkutter auf den Weg gemacht haben, um die Drogen aus dem Wasser zu fischen und an Land zu bringen. Doch die Übergabe scheitert zunächst – dennoch müssen sich die drei Männer nun vor dem Landgericht Oldenburg verantworten.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 50 Jahre alten Kutterkapitän und zwei mutmaßlichen Komplizen im Alter von 46 und 48 Jahren Drogenhandel und gemeinschaftliche Beihilfe zur Einfuhr vor. «Das Kokain war zum gewinnbringenden Weiterverkauf in Deutschland bestimmt», sagte der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage.
Zum Prozessauftakt machten der 46-Jährige und der 50-Jährige, die anwesend waren, keine Angaben. Das Verfahren gegen den dritten, 48 Jahre alten Angeklagten, wurde zuvor abgetrennt.
Hinweis aus den USA
Vor Gericht schilderte ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA), wie ein Tipp aus den USA die deutschen Fahnder überhaupt auf die Spur des Drogenschmuggels brachte. Die amerikanische Drogenbekämpfungsbehörde DEA berichtete demnach Anfang März ihren Amtskollegen von einem Schüttgutfrachter, der Sojaschrot aus dem Hafen von Santos in Brasilien über den Atlantik bis in den niedersächsischen Seehafen nach Brake transportierte.
Der Verdacht: An Bord sollte auch Kokain geschmuggelt und in deutschen Gewässern an die Besatzung eines Fischkutters übergeben werden.
Ermittler sprechen bei so einem Drogenschmuggel von einer sogenannten drop-off-Methode. Laut BKA werden dabei Drogen wasserdicht verpackt, mit Peilsendern oder Bojen versehen und von Mannschaftsangehörigen größerer Schiffe über Bord geworfen. Später werden sie dann von kleineren Booten unbemerkt aufgenommen und an Land gebracht.
Laut der Anklage soll das auch der Plan der mutmaßlichen Drogenhändler in diesem Fall gewesen sein. Nach dem Tipp aus den USA begannen deutsche Behörden, den Fischkutter im Hafen von Cuxhaven zu überwachen. Wenige Tage bevor der Kutter ablegte, so schilderte es der BKA-Ermittler, fuhr ein Auto mit fünf Personen vor – darunter die drei Angeklagten und zwei unbekannte Personen. Sie kauften ein, luden Proviant an Bord. Einer der Angeklagten, lud sich demnach auch eine App auf sein Handy, mit dem man Schiffe orten kann.
«Hey sexy, this is it»
Wenige Tage vor der Ankunft des Frachters fuhren die Angeklagten mit dem Kutter auf die Nordsee. Laut dem Ermittler ließen sie es so aussehen, als würde die Besatzung vor den ostfriesischen Inseln Krabben fischen. «Dort hat der Kutter dann typische Fischereibewegungen gemacht», sagte der Beamte – bis das Ortungssystem des Kutters ausgestellt worden sein soll.
Später rekonstruierten die Ermittler, dass der Kutter wohl eine Wende machte und mit hohem Tempo an den mutmaßlichen Übergabeort der Drogen Nahe der Insel Spiekeroog fuhr. Auswertungen von Handydaten belegten demnach zudem, dass die Besatzung des Kutters über einen Mittelsmann über das Geschehen an Bord des Schüttgutfrachters im Bilde war.
Doch die Übergabe der Drogen an dem Abend Mitte März auf der offenen See scheiterte. Ein Peilsender, der an dem Drogenpaket befestigt gewesen sein soll, funktionierte wohl nicht. Als der Kutter die Suche schließlich abbrach, griffen Einsatzkräfte der Bundespolizei zu.
Kurz nach der Festnahme der Kutterbesatzung ging laut dem BKA-Ermittler auf einem Handy eines Beschuldigten von dem Mittelsmann eine Nachricht ein: «Hey sexy, this is it» (deutsch: «Hallo sexy, das ist es»), habe der Absender geschrieben, sagte der Zeuge. Dazu habe er Fotos von mehreren Paketen geschickt, die mit einem Tau zusammengebunden waren und im Meer offensichtlich an einer Leine an einem kleineren Boot gezogen wurden.
Die Übergabe sei doch noch erfolgreich gewesen, sagte der BKA-Ermittler. «Das ist als Vollzugsmeldung zu interpretieren.» Unbekannte Täter mit einem kleineren Boot bargen demnach die Drogen – wo sie diese an Land brachten, blieb unklar.
Drogenfunde an Nord- und Osteestränden
Dass bei solchen Übergaben auf dem Meer immer wieder auch Drogen verloren gehen, belegen Strandfunde. An der ostfriesischen Nordseeküste waren in den vergangenen Jahren immer wieder mal Drogen in Säcken angespült und entdeckt worden. Zuletzt gab es auch Funde an der Ostsee.
Einen spektakulären Fund machte eine Urlauberin im vergangenen April auf Borkum: Dort waren am Strand mehrere verdächtige Säcke angespült worden, die mit einer Rettungsweste zusammengebunden waren. Später bestätigte die Staatsanwaltschaft in Aurich, dass sich darin rund eine Tonne Kokain befand.
Das Bundeskriminalamt habe auch geprüft, ob der Borkumer Fund mit der Drogenübergabe vor Spiekeroog zusammenhänge, sagte der BKA-Polizist vor Gericht. Dazu seien mithilfe von Wissenschaftlern unter anderem Driftmodelle der Wasseroberfläche erstellt worden.
Aber die vorherrschende Driftbewegung von West nach Ost habe mit dem Fundort der Drogen auf Borkum und dem Ort der mutmaßlichen Übergabe vor Spiekeroog nicht zusammengepasst, sagte der Zeuge. Tests an dem Verpackungsmaterial, ergaben zudem, dass die auf Borkum gefunden Drogen höchstens eine Woche, eher wenige Tage im Wasser lagen.
Eine Entdeckung machten die Ermittler später allerdings noch auf dem beteiligten Frachter: Einige Tage nach der Abfahrt des Frachters hätten Polizisten im Hafenbecken in Brake eine herrenlose Taucherausrüstung gefunden, sagte der BKA-Ermittler. Brasilianische Behörden teilten daraufhin mit, dass noch weitere Drogen unter Wasser unter dem Schiff geschmuggelt worden sein sollen.
Im Hafen von Ravenna in Italien fanden schließlich Polizeitaucher bei einer erneuten Durchsuchung in einem Seekasten unter dem Schiff weitere 150 Kilogramm Kokain in wasserabweisenden Paketen. Die Bergung dieser Drogen habe wahrscheinlich in Brake von einer anderen Tätergruppe erfolgen sollen, sagte der BKA-Ermittler.
Der Richter sprach beim Auftakt von einem ungewöhnlichen Verfahrenskomplex. Für ihn sei es der erste Fall solcher Drogenkuriere auf dem Meer, der vor dem Landgericht verhandelt werde.
Wichtig sei daher auch die Frage, ob die Angeklagten, wie von der Staatsanwaltschaft gewertet, tatsächlich als Täter infrage kämen. «Das ist ein entscheidender Punkt, ob man Täter oder Gehilfe ist», sagte der Richter. Je nach Tatvorwurf sei auch das Strafmaß verschieden. Es sind insgesamt acht Verhandlungstage angesetzt.