Hamburg (dpa/lno) – Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat ein Problem. In Hamburg könnte es vom Wochenende an gleich zwei Landesverbände geben. Und das wiederum könnte ernsthafte Folgen für einen möglichen Einzug des BSW in den Bundestag und auch in die Hamburgische Bürgerschaft haben.
Was ist passiert?
Ursprünglich wollte der BSW-Bundesvorstand den letzten noch offenen Landesverband in Deutschland am vergangenen Sonntag in Hamburg gründen und dabei auch gleich die Kandidatenliste für die Bürgerschaftswahl am 2. März verabschieden. Doch dann gab es Probleme mit den Räumlichkeiten, die Vermieterin hatte den Mietvertrag gekündigt. Bundesgeschäftsführer Lukas Schön verschob daraufhin den Parteitag am vergangenen Freitagabend auf diesen Samstag.
Wo ist das Problem?
Aus Bundessicht sind es die Hamburger Parteimitglieder Dejan Lazić und Norbert Weber. Denn die haben entgegen der Parteiregie selbst das Heft in die Hand genommen, am vergangenen Wochenende einen Alternativraum organisiert, entgegen den Vorstellungen der Bundesspitze einen Landesverband gegründet – und dann auch noch gleich einen Kandidaten für die Bundestagswahl am 23. Februar bestimmt.
Wie lief die Gründung ab?
Lazić sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Vorgehen sei satzungsgemäß gewesen. Sieben Parteimitglieder hätten den Landesverband gegründet und dabei auch gleich Wagenknechts Namen – wie von ihr selbst geplant – getilgt. Der Verband heiße nun schlicht «Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit». Vorsitzender sei der frühere Linken-Politiker Alexander Konstantinov, sein Stellvertreter wurde Weber. Lazić wiederum sitzt im Landesschiedsgericht. Den Namen des Bundestagskandidaten nannten beide nicht, weil dieser das derzeit nicht wolle. Die frühere Hamburger Linken-Bundestagsabgeordnete Żaklin Nastić, die bereits erklärt hat, wieder anzutreten, sei es aber nicht.
Was bezwecken die «Rebellen» mit ihrem Vorgehen?
Weber und Lazić geht es um Grundsätzliches, etwa um das rigide Prozedere zur Aufnahme von Parteimitgliedern. In Hamburg habe das BSW neben den 28 Mitgliedern etwa 900 Unterstützer, die teilweise schon vor Monaten einen Antrag auf Aufnahme in die Partei gestellt hätten und seither in Warteschleifen gehalten würden, sagte Weber. Diese dürften zwar spenden, mitarbeiten und Plakate kleben. «Aber was sie nicht haben, ist aktives und passives Wahlrecht.» Berlin nutze das Aufnahmeverfahren dafür, um eigene Positionen in den Ländern durchzusetzen, indem etwa wie in Thüringen zahlreiche Mitglieder von heute auf morgen zugelassen würden. «Solche Sachen gehen in einer demokratischen Partei überhaupt nicht.»
Und überhaupt die Informationspolitik, etwa bei den Mitgliederlisten. «Es ist demokratisches Recht eines Mitglieds, dass er sich mit anderen Mitgliedern vernetzen kann», sagte Weber. Das sei gelebte Demokratie. «Aber wir bekommen die Liste nicht», sagte er auch mit Blick auf die Lage in anderen Landesverbänden.
Wie geht es jetzt weiter?
Lazić und Weber halten den auf Samstag neu terminierten Gründungsparteitag für rechtswidrig. «Nur der Landesverband kann nach der Satzung eine Landesmitgliederversammlung einberufen», sagte Lazić. Im Übrigen hätten sie dem Bundesvorstand bereits vor dem Parteitag vergangene Woche mitgeteilt, dass dieser in Ersatzräumen stattfinden werde. «Es kam keine Reaktion, weder ein Nein noch ein Ja», sagte Weber. Außerdem hätten sie nach Veröffentlichung des neuen Termins umgehend einen Antrag beim Bundesschiedsgericht gestellt.
Wird der zweite Gründungsparteitag dennoch stattfinden?
Weber geht davon aus, dass die Versammlung stattfinden wird, «es sei denn, die klären das jetzt mit dem Hamburger Landesverband, der ja nun existiert». Gleichzeitig wies er darauf hin, dass dann im schlimmsten Fall dem Landeswahlleiter für die anstehenden Wahlen zwei Wahlvorschläge von verschiedenen Landesverbänden vorliegen könnten.
Was könnten die Folgen sein?
Dann müssten der Landeswahlleiter und der Wahlausschuss entscheiden, welchen von den beiden sie zulassen. Sie können aber auch beide Vorschläge zurückweisen, so dass das BSW in Hamburg gar nicht antreten könnte. Exakt dieser Fall sei bei der jüngsten Bürgerschaftswahl in Bremen eingetreten, sagte Lazić. Damals hatte die AfD zwei konkurrierende Listen eingereicht und wurde letztlich von der Wahl ganz ausgeschlossen. Das aus Sicht der Rebellen vom Bundesvorstand verursachte Chaos könnte für das BSW zu einem ernsten Problem werden. Denn angesichts der Umfragewerte um die fünf Prozent könnte das Fehlen von Stimmen aus Hamburg das BSW den Einzug in den Bundestag kosten. «Davor warnen wir bereits Monaten», sagte Lazić.
Was sagt eigentlich die Bundespartei dazu?
Der Bundesvorstand teilte auf Anfrage mit: «Das ist ein aus unserer Sicht nichtiger Vorgang, der mit dem Parteivorstand nicht abgesprochen war und unserer Satzung widerspricht.» Die Gründung des Landesverbands erfolge am kommenden Samstag auf Beschluss des Parteivorstands unter Einbeziehung aller Mitglieder – so wie es die Satzung vorsehe, sagte ein Sprecher. Lazić hält den Vorgang jedoch für wirksam, welcher durch den Bundesvorstand zwar anfechtbar sei, darüber müsse jedoch das Landesschiedsgericht entscheiden. Ein Antrag liege jedoch nicht vor, sagte er.