Schlagabtausch zu Migrationspolitik in der Bürgerschaft

SPD, Grüne und Linke warnen CDU davor, der AfD in der Asylpolitik den Weg zu ebnen.
SPD, Grüne und Linke warnen CDU davor, der AfD in der Asylpolitik den Weg zu ebnen. Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg (dpa/lno) – In der Debatte um eine Verschärfung der Asylpolitik haben SPD, Grüne und Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft der CDU vorgeworfen, Rechtsextremisten und Populisten in die Hände zu spielen. Indem ihr Bundesvorsitzender Friedrich Merz bei seiner Forderung nach Grenzkontrollen und Einreiseverboten die Unterstützung der AfD in Kauf nehme, führe er «seine einst so stolze Volkspartei 80 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur in die Arme der Rechtsextremen», sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf in der Aktuellen Stunde. 

Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg sprach von einem Dammbruch. Noch vor Kurzem habe Merz ausgeschlossen, dass es mit der AfD auch nur zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheiten geben dürfe – «jetzt bricht er dieses Versprechen», sagte sie. «Wer sich von Demokratiefeinden Mehrheiten beschaffen lässt, öffnet Tür und Tor für eine Normalisierung des Rechtsextremismus.» 

CDU weist Kritik zurück – Keine Zusammenarbeit mit der AfD

CDU-Fraktionschef Dennis Thering wies die Kritik zurück. «Es wird mit der CDU in Deutschland und auch mit der CDU in Hamburg keine Zusammenarbeit, keine Gespräche und keinen inhaltlichen Austausch mit der AfD geben», betonte er. Nach den Anschlägen von Aschaffenburg und Magdeburg sei man den Bürgerinnen und Bürgern aber Antworten schuldig, wie man die Sicherheit verbessern wolle, «damit sich das fortlaufende Staatsversagen nicht weiter fortsetzt». Von SPD und Grünen höre er aber immer nur, was nicht gehe. 

Die von Merz geforderten Grenzkontrollen und Abschiebungen schafften «kein Mehr an Sicherheit und sind weder in der Praxis umsetzbar noch mit EU-Recht vereinbar», sagte die Migrationsexpertin der Linken, Carola Ensslen. «Sie sind nichts weiter als ein Anbiedern an die AfD mit ihrer rassistischen Hetze – eine unverantwortliche Strategie.» 

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann bezeichnete die Brandmauer-Diskussion als «substanzloses Gefasel», das den Bürgern nicht zu vermitteln sei. Erfreulich sei, dass «der Funke der Vernunft» mittlerweile in Teilen zur CDU übergesprungen sei. «Das bekommen sie nicht mehr zurückgedreht», sagte er.

Tschentscher: Brandmauer «klipp und klar» halten

«Es macht vielen Leuten Angst – gerade hier in Hamburg, wie derzeit darüber gesprochen wird, wer mit wem worüber beschließt», sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). «Die Leute wissen nicht, wo beginnt die Zusammenarbeit mit der AfD und wo endet sie.» Deshalb sei für ihn klar: «Wir müssen klipp und klar diese Brandmauer halten.»

Zugleich zeigte sich der Bürgermeister für eine weitere Verschärfung der Regelungen bereit, um Angriffe und Anschläge zu verhindern. «Ich bin für jede Verschärfung von Regelungen bis an die Grenzen des Verfassungsrechts und des europäischen Rechts», sagte er. «Ich bin mit jeder Regelung einverstanden, die noch stärker dazu beiträgt, dass Gefährder nicht auf offener Straße durch Hamburg oder Deutschland laufen.»

Wenn die CDU Vorschläge habe, «wie wir noch konsequenter straffällige Asylbewerber abschieben können, dann machen sie diese Vorschläge, und ich werde sie unterstützen», sagte Tschentscher. Zuvor hatte bereits Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) darauf verwiesen, dass Hamburg straffällige Asylbewerber konsequent abschiebe – 270 im vergangenen Jahr. 

Nach der mehrheitlichen Entscheidung des Deutschen Bundestags für einen CDU/CSU-Antrag zu mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen fand Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) scharfe Worte: «Das Kalkül der CDU ist aufgegangen, wie von Anfang an geplant.» Sie habe mit ihren rechtswidrigen und antieuropäischen Forderungen im Deutschen Bundestag der AfD heute eine Einladung ausgesprochen, «die sie wie erwartet angenommen hat». Es gilt als fast sicher, dass die Mehrheit im Bundestag nur mit Stimmen der AfD zustande gekommen ist. 

Bürgerschaftspräsidentin: Geschichte darf sich nicht wiederholen

Vor Eintritt in die Aktuelle Stunde hatte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau an den historischen Hintergrund des deutschen Asylrechts erinnert. Viele Jüdinnen und Juden, die vor dem Nazi-Terror hätten fliehen wollen, seien an den Grenzen freier Länder zurückgewiesen worden. 

Dieser Erfahrung trage das Grundgesetz Rechnung, sagte Veit. «Politisch Verfolgte genießen bei uns Asylrecht.» Zugleich sei es verständlich, dass dieses uneingeschränkte Recht infrage gestellt werde, «wenn brutale Angriffe wie in Brokstedt, Magdeburg oder Aschaffenburg unfassbares Leid auslösen und wir verzweifelt nach Erklärungen suchen». Der politische Streit dürfe aber nicht «dazu verkommen, Menschen in unserem Land Angst zu machen, er darf nicht die Opfer instrumentalisieren». 

Die deutsche Geschichte verpflichte und mahne zugleich. «Wir müssen unser Bestmögliches dazu beitragen, dass sie sich nicht wiederholt.»