
Schönhagen (dpa/lno) – Fasziniert schauen die Kinder auf den großen Bagger, der den Boden wenige Meter von ihnen entfernt verdichtet. Als es unter ihren Füßen zu vibrieren beginnt, fangen einige an zu kichern. Die Mädchen und Jungen der nahe gelegenen Grundschule Karby informieren sich in Schönhagen über den Deich, der hier knapp eineinhalb Jahre nach der schweren Ostseesturmflut wieder aufgebaut wird.
Im Oktober 2023 hatte eine schwere Sturmflut hohe Millionenschäden an der Ostseeküste in Schleswig-Holstein verursacht. Überall entlang der Küste wurden Deiche und Hafenanlagen beschädigt oder zerstört, Häuser, Campingplätze und Hotels verwüstet. Aus Promenaden und Straßen brachen ganze Stücke heraus, zum Teil wurden sie komplett weggespült. Auch Schönhagen, das zur Gemeinde Brodersby gehört, war stark betroffen.
Verantwortliche wollen Verständnis für Küstenschutz schärfen
Rund 100 Menschen mussten in der Sturmnacht ihre Häuser in Schönhagen verlassen. Auch einige der Kinder, die heute die Baustelle besichtigen, waren betroffen, wie der planende Ingenieur Philipp Zülsdorff sagte. Letztendlich seien es auch deren Ortschaften, «die wir versuchen zu schützen».
«Es ist brutal wichtig, dass sie wissen, dass es den Deich hier gibt und wie er funktioniert», sagte Zülsdorff. Irgendwann werde es auch in ihre Hände fallen, diesen Deich zu erhöhen und dem Klima anzupassen.
«Wir haben uns nie vorstellen können, dass das Wasser oben drüber geht oder der Deich bricht», sagt der Bürgermeister von Brodersby, Dieter Olma. «Gott sei Dank hat es geklappt, dass wir dieses Vorhaben umsetzen können.» Dass sich die Grundschülerinnen und -schüler den Deichbau anschauen, findet er auch mit Blick auf den Klimawandel wichtig. «Das ist die Generation, die es mal richtig betreffen wird.»
Die Direktorin des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN), Birgit Matelski, freute sich, «dass wir Grundschulkindern die Baustelle erläutern durften». Das Verständnis für den Küstenschutz gerade an der Ostsee, wo Küstenschutzanlagen nicht so offensichtlich ins Auge fielen, könne so geschärft werden.
Deichbau an der Ostsee funktioniert anders als an der Nordsee
Der Deichbau selbst funktioniert etwas anders als an der Nordsee, wo seit einigen Jahren Klimadeiche gebaut werden, die unter anderem ein zur Seeseite flacheres Profil aufweisen. So können die auflaufenden Wellen einen Teil ihrer Wucht verlieren. An der Ostsee gebe es meist nicht so viel Platz, sagte Zülsdorff. «Man muss also steiler bauen.» Entsprechend mehr Kraft hat die Welle, wenn sie auf den Deich einwirkt. Man könne also nicht nur mit Erde arbeiten, um den Deich stabil zu halten.
Daher wird auf die unterste Schicht aus «bindigem Boden», eine Art Tonmaterial, ein Wasserbauvlies gelegt, wie Zülsdorff erklärt. Darauf kommen eine etwa 20 Zentimeter dicke Schicht kleiner Geröllsteine, eine Zwischenschicht mit bis zu 300 Kilogramm schweren Steinen und zum Schluss die eigentliche Deckschicht mit Steinen, die etwa eine Tonne schwer sind.
Ostern soll der Deich stehen
Von dem großen Bauwerk soll später so wenig wie möglich zu sehen sein, wie Zülsdorff sagt. «Denn wir wollen ja den Strand als das sichtbare Element haben.» Aktuell seien zwei Drittel des Bauwerkes fertiggestellt, sagte Zülsdorff. Insgesamt werden in den etwa 700 Meter langen Abschnitt unter anderem 20.000 Tonnen Steine verbaut. Die Kosten von rund drei Millionen Euro hat das Land übernommen.
«Die Baustelle läuft sehr gut», sagte LKN-Chefin Matelski. «Ich freue mich, wenn wir auch diese Maßnahme bis Ostern abschließen.» Der Deich sei eine der fünf von insgesamt 43 Maßnahmen, die aufgrund ihres großen Umfangs 2024 nicht beendet werden konnten.