Größeres Ausmaß von sexualisierter Gewalt bei Pfadfindern

Sie sollen ein größeres Ausmaß gehabt haben als bisher angenommen: Fälle von sexualisierter Gewalt bei den christlichen Pfadfindern im Kieler Stadtteil Pries-Friedrichsort in den 1990er Jahren. (Symbolbild)
Sie sollen ein größeres Ausmaß gehabt haben als bisher angenommen: Fälle von sexualisierter Gewalt bei den christlichen Pfadfindern im Kieler Stadtteil Pries-Friedrichsort in den 1990er Jahren. (Symbolbild) Foto: Annette Riedl/dpa

Kiel (dpa/lno) – Die Fälle von sexualisierter Gewalt bei den christlichen Pfadfindern im Kieler Stadtteil Pries-Friedrichsort sollen in den 1990er Jahren ein größeres Ausmaß gehabt haben als bisher angenommen. Damals habe ein Jugendmitarbeiter des Kirchenkreises systematisch minderjährige Pfadfinderinnen und Pfandfinder missbraucht, teilte der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Altholstein mit. 

«Wir wissen konkret von 13 Betroffenen und müssen von einer nennenswerten Dunkelziffer ausgehen», sagte die Pastorin der örtlichen Evangelisch-Lutherischen Kompassgemeinde, Anna Benkiser-Eklund. Zudem sei zu befürchten, dass der Suizid eines jungen Menschen mit den Vorfällen in Verbindung stehe. 

Sie erklärte, dass der ehemalige Jugendmitarbeiter nach Bekanntwerden der Vorwürfe im März 2024 angezeigt wurde: «Die Behörden haben die Ermittlungen aber mit Hinweis auf Verjährung eingestellt.»

Eine Kultur des Schweigens

Die Pastorin ist nach zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen und Zeugen überzeugt, dass der Jugendmitarbeiter über Jahre hinweg ein perfides System des sexuellen Missbrauchs betrieben habe. «Der Täter hat seine Macht ausgenutzt, um Minderjährigen sowohl psychisch als auch körperlich Gewalt anzutun», erklärte Benkiser-Eklund. Er habe gezielt Jugendliche wie Erwachsene manipuliert und getäuscht. 

Strenge Hierarchien und strafende Rituale hätten seinerseits eine Kultur der Gefolgschaft und des Schweigens bei den Pfandfindern gefördert. Auch knapp 30 Jahre nach den Taten widersprechen sich der Vertrauensperson des Verbandes christlicher Pfadfinder, Folke Brodersen, zufolge die Äußerungen und Einschätzungen. 

«Es ist unklar, wer genau nicht ausreichend gehandelt hat und warum», sagte Brodersen. Sicher sei, dass es schwere Versäumnisse vonseiten der Pfadfinderschaft und den Verantwortlichen der Kirche gegeben hat. Die Verantwortlichen damals hätten versagt.