Peggy Parnass: Kämpferin für Gerechtigkeit ist tot

Peggy Parnass ist im Alter von 97 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben. (Archivbild)
Peggy Parnass ist im Alter von 97 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben. (Archivbild) Foto: Georg Wendt/dpa

Hamburg (dpa/lno) – Die Autorin, Kolumnistin, Schauspielerin und NS-Zeitzeugin Peggy Parnass ist tot. Sie starb am Morgen im Alter von 97 Jahren im Kreise von Familie und Wegbegleitern in ihrer Heimatstadt Hamburg, wie ein Sprecher der Familie der Deutschen Presse-Agentur sagte. Nach einem Sturz 2019 hatte sie zuletzt in einem Seniorenstift im Stadtteil St. Georg gelebt.

Bürgermeister Peter Tschentscher würdigte die Verstorbene als unermüdliche Kämpferin gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung. «Ihr unermüdlicher Einsatz für Demokratie, Toleranz und Mitmenschlichkeit sollte uns auch in Zukunft ein Vorbild sein», sagte er. 

Lebenslanger Kampf gegen Ungerechtigkeit und Intoleranz 

Parnass hatte sich vor allem mit ihren Gerichtsreportagen einen Namen gemacht, die zwischen 1970 und 1978 in der Zeitschrift «Konkret» erschienen und für die sie zahlreiche Auszeichnungen erhielt. 2021 war sie vom deutschen PEN-Zentrum zum Ehrenmitglied ernannt worden.

Ihr Leben lang kämpfte sie gegen Ungerechtigkeit, Intoleranz und das Vergessen – weil «es der Selbstrespekt verlangt, den Versuch zu machen, etwas zu bewegen», wie es einmal selbst ausdrückte.

Tochter von den Nazis ermordeter jüdischer Eltern

Ihr Vater, ein Jude polnischer Herkunft und ihre Mutter, eine Halbportugiesin, wurden von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Treblinka ermordet. 1939 wurde Parnass als Kind mit ihrem vierjährigen Bruder mit einem Kindertransport nach Stockholm gebracht, wo sie in verschiedenen Pflegefamilien lebte. 

Nach einem Studium in Stockholm, London und Paris kehrte sie in ihre Geburtsstadt zurück, wo sie als Sprachlehrerin, Filmkritikerin, Autorin und Schauspielerin arbeitete.

Zahlreiche Auszeichnungen für ihr Engagement

Ihr Buch «Prozesse 1970-1978», eine Sammlung ihrer Gerichtsreportagen, fand große Beachtung, ebenso ihr Buch «Unter die Haut» (1983) und ihre autobiografisch durchsetzte Anthologie «Süchtig nach Leben» (1990). 

Daneben engagierte sie sich politisch gegen staatliche Willkür oder Heuchelei jeder Art und für die Schwachen in der Gesellschaft. «Die Welt war für mich in Ordnung, wenn viele Menschen für die gleiche Sache auf die Straße gegangen sind oder ich die Zustimmung eines vollen Theatersaals bei meinen Lesungen hatte», sagte sie einmal.

Als Publizistin und engagierte Bürgerrechtlerin erhielt Peggy Parnass zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Joseph-Drexel-Preis für hervorragende Leistungen im Journalismus, die Biermann-Ratjen-Medaille der Stadt Hamburg und das Bundesverdienstkreuz.

Politik und Kirche würdigen Parnass Verdienste 

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank nannte Parnass eine beeindruckende Frau und wichtige Stimme Hamburgs. «Sie sprach und schrieb über das Unaussprechliche, mahnte kämpferisch, klagte Missstände an und wurde so zum Vorbild für viele», sagte sie.

«Stets ein Freigeist und ohne Angst, anzuecken, setzte sie sich für eine offene und vielfältige Gesellschaft ein», würdigte Kultursenator Carsten Brosda die Verstorbene. «Ihre Heimatstadt Hamburg kann froh sein, sie in ihrer Mitte gehabt zu haben. Wir alle verdanken ihr viel.»

Parnass sei in Hamburg bis zuletzt sehr präsent gewesen und habe die aktuellen Debatten aufmerksam begleitet und bereichert, sagte Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs. «Ich bin froh, dass ich ihr bei vielen Gelegenheiten begegnen durfte, und ich werde ihre klaren Worte und ihre liebenswürdige, warmherzige Art sehr vermissen», sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD).