
Kiel (dpa/lno) – Nach jahrelangem Warten kann die Autobahn 20 in Schleswig-Holstein zumindest theoretisch bald weitergebaut werden. Das Amt für Planfeststellung hat Baurecht für die zehn Kilometer lange Umfahrung von Bad Segeberg erlassen. «Wir gehen also davon aus, dass wir in diesem Jahr noch beginnen können», sagte die zuständige Bereichsleiterin der Infrastrukturgesellschaft Deges, Steffi Wulke-Eichenberg. Voraussetzung für den Einsatz der Bagger sei, dass es keine weiteren Klagen gebe.
«Der Beschluss ist sofort vollziehbar, die Infrastrukturgesellschaft Deges könnte also unmittelbar mit dem Bau beginnen, sofern es nicht durch erneute Klagen zu einem gerichtlichen Baustopp kommt», sagte Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Der Planfeststellungsbeschluss sei ein «lang ersehnter Schritt für die staugeplagten Menschen und das Land».
Auf den Baubeginn warte auch die Wirtschaft und neuerdings auch die Bundeswehr und die europäischen Nato-Partner, sagte Madsen. Das Vorhaben sei trotz gestiegener Kosten von europäischem Interesse. «Nicht zuletzt wegen der zunehmend militärischen Bedeutung einer leistungsstarken Trasse zwischen den Nordseehäfen und der Ostsee bin ich zuversichtlich, dass auch die künftige Regierung in Berlin das Versprechen aller bisherigen Verkehrsminister hält, dem Projekt höchste Priorität einräumt und es durchfinanziert.»
Fledermäuse
Seit mehr als zehn Jahren endet die Küstenautobahn östlich von Bad Segeberg. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht den Weiterbau. Die Richter sahen den Fledermausschutz nicht ausreichend beachtet. Die Segeberger Kalkberghöhlen gelten als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands.
Als Folge des Urteils haben die Planer nachgebessert. So sollen für die Tiere unter anderem Tunnel oder Leitstrukturen wie Schutzwände entstehen, damit die Fledermäuse nicht mit Lastwagen kollidieren. Rund um Bad Segeberg und im Travetal sind diverse Bauwerke im Zuge der A20 geplant vor allem für Fledermäuse, aber auch andere Tierarten, darunter acht Tunnel und fünf Brücken. Ein Zehntel der erwarteten Baukosten von 465 Millionen Euro für den Bauabschnitt hingen mit Naturschutzbelangen zusammen, sagte Wulke-Eichenberg.
Trave-Schule
Nach Darstellung des Chefs des Amtes für Planfeststellung, Martin Hamm, sei auch auf landwirtschaftliche Belange und auf das Grundeigentum – soweit möglich – Rücksicht genommen worden. Besonderes Augenmerk habe auf dem Schutz der Trave-Schule im Süden Bad Segebergs in der Nähe der geplanten Trasse gelegen. Ende März ist ein Gespräch mit den Naturschutzverbänden geplant. Der Beschluss und die Planunterlagen sollen voraussichtlich im April öffentlich ausgelegt werden.
Deges-Bereichsleiterin Wulke-Eichenberg betonte, der erste Abschnitt der Umfahrung von Bad Segeberg könnte 2031 für den Verkehr freigegeben werden, der Rest bis 2033 folgen. «Die A20 ist eine für Wirtschaft, Tourismus und auch Binnenverkehre unverzichtbare Ost-West-Magistrale, und die Menschen dürften erleichtert sein, dass ein Ende des jahrzehntelangen Tauziehens um die A20 in Sicht ist».
Teilstück von Wittenborn bis zur A7
Nach Angaben von Hamm will die Behörde auch das knapp 21 Kilometer lange Folge-Teilstück von Wittenborn bis zur A7 nachbessern. Hier war der erste Beschluss ebenfalls vor Jahren vor Gericht gescheitert. Frühestmöglicher Baubeginn ist kommendes Jahr. Für die ersten beiden Abschnitte westlich der A7 wird erst 2028 Baurecht erwartet.
Im folgenden Abschnitt bis zum geplanten Elbtunnel wird dagegen bis Mitte 2025 der Planfeststellungsbeschluss erwartet. Im zweiten Halbjahr könnte der Bau beginnen. Das Baurecht für den 6,5 Kilometer langen Tunnel ist bereits rechtskräftig. Dessen Kosten wurden zuletzt mit etwa zwei Milliarden Euro beziffert. Verkehrsminister Madsen ermutigt, dass auf niedersächsischer Seite der Planfeststellungsbeschluss für den Neubau des Kehdinger Kreuzes vorliege.
Von geplant 112 Kilometern schlängelt sich die A20 bislang ganze 39 Kilometer durch Schleswig-Holstein. Künftig soll sie westlich an Hamburg vorbei und durch einen neuen Elbtunnel nach Niedersachsen führen.