
Flensburg (dpa/lno) – «Tschüss Papier»: Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Volker Wissing (parteilos) hat am Mittag im Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) symbolisch die letzte Papierakte des Fahreignungsregisters geschreddert. «Das stecken wir nun in den Reißwolf», sagte Wissing. «Aber die Informationen bleiben trotzdem hier. Sie sind alle digital erfasst.» Datenschutzkonform ist alles, was den Verkehrssünder oder die Punkteinhaberin identifizieren könnte, geschwärzt. So viel aber kann der Minister lesen und den anwesenden Journalisten verraten: Es geht um die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Neigung zu Rauschgift.
Seit einiger Zeit werden die Punkte in Flensburg nur noch digital gezählt. Nun sei auch die Nacherfassung beendet, «der Papierbestand ist aufgelöst», teilte das KBA mit. Jährlich werden rund fünf Tonnen Papier eingespart, die weggefallenen Regale der Hängeregistratur entsprechen etwa der Länge von fünf Fußballfeldern. Mit einer der letzten Amtshandlungen des scheidenden Ministers sind jetzt offiziell alle Punkte der Flensburger Verkehrssünderkartei digitalisiert.
Jahrzehntelang füllten Hängeakten Hunderte Regalmeter im KBA im Flensburger Stadtteil Mürwik. Rund 50 Tonnen wogen die etwa 10,7 Millionen Blatt Papier mit den Punkten der Verkehrssünderinnen und -sünder nach Angaben der Behörde. Jetzt sind alle Punkte digitalisiert. «Es ist ein sehr gutes Gefühl», sagte KBA-Präsident Richard Damm. «Die Digitalisierung bringt uns nach vorne und bietet deutlich mehr Möglichkeiten in Zukunft.»
Ein großer Vorteil neben der Papiereinsparung: Alle Daten stehen digital zu Auskunftszwecken bereit. Bürgerinnen und Bürger können ihren eigenen Punktestand unter bestimmten Voraussetzungen direkt online, kostenfrei und zeitsparend abrufen. Bereits im vergangenen Jahr wurden nach KBA-Angaben 43 Prozent (200.000) aller Punkte-Privatauskünfte (460.000) an Bürgerinnen und Bürger über das digitale Online-Verfahren erteilt.
Seit 51 Jahren werden Verkehrsverstöße mit Punkten sanktioniert
Verkehrssünder werden seit dem 1. Mai 1974 in Deutschland anhand eines Punktesystems sanktioniert. Bereits 16 Jahre zuvor, am 2. Januar 1958, nahm das Verkehrszentralregister in Flensburg seine Arbeit auf. Der Grund: Der Autoverkehr in der Bundesrepublik Deutschland nahm rasant zu, die Zahl der schweren Unfälle auch. In der sogenannten Verkehrssünderkartei wurde zunächst allerdings nur registriert, wenn jemandem die Fahrerlaubnis versagt oder entzogen wurde.
Das Mehrfachtäterpunktsystem wurde 1974 eingeführt. Denn Anfang der 1970er Jahre gab es den Rekordwert von mehr als 21.000 Verkehrstoten in der Bundesrepublik, wie Damm sagte. Und das bei rund 20,8 Millionen Kraftfahrzeugen. Heute sind gut 60 Millionen Autos, Lastwagen und Motorräder auf Deutschlands Straßen unterwegs. Die Zahl der Verkehrstoten hat sich hingegen im Vergleich zu damals deutlich auf 2.780 Menschen im vergangenen Jahr reduziert.
Das Punktesystem wurde 2014 reformiert
Das erste Punktesystem war 40 Jahre gültig, bis es durch das am 1. Mai 2014 in Kraft getretene Fahreignungsbewertungssystem abgelöst wurde. Seitdem werden nur noch die Entscheidungen über Verstöße «bepunktet» und eingetragen, die direkte Relevanz für die Sicherheit des Straßenverkehrs haben und die Verkehrssicherheit unmittelbar gefährden.
Zu Jahresbeginn standen rund 10,12 Millionen Verkehrsteilnehmer im Fahreignungsregister, etwa 1,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Männer waren mit rund 7,59 Millionen Einträgen weit stärker vertreten als Frauen mit rund 2,45 Millionen Einträgen. Allerdings fiel der Rückgang bei den Männern stärker aus als bei den Frauen. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen ist der Geschwindigkeitsverstoß die am häufigsten gemeldete Ordnungswidrigkeit.
ADAC: Zusammenspiel verschiedener Sanktionen hat sich bewährt
Die Zahl der tödlichen Unfälle gehe zwar seit vielen Jahren zurück, dennoch «wäre es fatal, die Verkehrsüberwachung für überflüssig zu erachten», sagte der Leiter der juristischen Zentrale des ADAC, Markus Schäpe, der dpa im vergangenen Jahr anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Punktesystems. «Im Gegenteil, das Zusammenspiel aus Geldbußen, Punkten und Fahrverboten hat sich in all den Jahren bewährt.»