
Hamburg (dpa/lno) – Im Prozess um eine mutmaßlich antisemitischen Attacke während einer Veranstaltung an der Universität Hamburg hat erstmals die Geschädigte ausgesagt. Die 55-Jährige schilderte vor dem Amtsgericht teils unter Tränen, wie sie im Mai vergangenen Jahres von der 27 Jahre alten Angeklagten beleidigt, gewürgt und ins Gesicht geschlagen worden sei. Sie leide noch immer psychisch und physisch unter den Folgen.
Die Frau, die dem Vorstand der Deutsch-Israelischen Gesellschaft angehört, tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Bei der von ihrem Mann organisierten Ringvorlesung ging es um aktuelle Formen antijüdischer Gewalt. Die Veranstaltung fand im Kontext des Kriegs im Gazastreifen und vor dem Hintergrund propalästinensischer Proteste im Uni-Umfeld in ohnehin aufgeheizter Atmosphäre statt.
Nebenklägerin: Wurde beleidigt, gewürgt, geschlagen und verletzt
Eine Frau, die schon während der Veranstaltung durch störende Zwischenrufe aufgefallen sei, habe im Anschluss ihren Mann als «Kindermörder» bezeichnet und sie als dessen Ehefrau «geoutet», sagte die 55-Jährige. Die Angeklagte sei mit hasserfülltem Gesichtsausdruck auf sie zugegangen und habe gesagt: «Du bist so hässlich sei wie eine Hexe. Dein Gesicht sieht aus, als wäre ein Laster darüber gefahren. Und wenn nicht der Laster, dann meine Faust.»
Als sie die Frau gefragt habe, ob sie diese Beleidigungen mit dem Handy filmen dürfe, sei diese auf sie losgegangen und habe versucht, ihr das Telefon zu entreißen. Als ihr das nicht gelungen sei, habe sie sie gewürgt, sagte die 55-Jährige. Aus dem Würgegriff habe sie sich durch einen Biss in die Hand der Angreiferin befreien können. Anschließend habe die 27-Jährige ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen, sie an den Haaren zu Boden gerissen und herumgeschleudert. Auch auf dem Boden sei sie weiter geschlagen und getreten worden.
Verteidigung wirft mutmaßlichem Opfer Falschaussage vor
Der Verteidiger der 27-Jährigen bestritt die Angaben und legte dem Gericht zum Gegenbeweis einen Handyfilm vor, der den Vorfall in voller Länge zeigen soll. Zu sehen sind die beiden Frauen – und wie die 27-Jährige versucht, an das Handy der älteren zu gelangen. Zwischenzeitlich geraten die beiden Frauen aus dem Blickfeld, sind dann aber wieder auf dem Boden liegend zu sehen. Die ganze Sequenz dauert nur wenige Sekunden. Auf dem Film ist nicht zu sehen, dass die 55-Jährige gewürgt wurde. Auch die geschilderten Beleidigungen sind nicht zu hören.
Der Anwalt der Angeklagten wertete die Videoaufnahme als Beleg, dass der Vorfall von der Nebenklägerin unter Behauptung falscher Tatsachen aufgebauscht worden sei. Er kündigte an, Strafantrag wegen Falschaussage und Verleumdung zu stellen.
Urteil soll Ende April gesprochen werden
Am kommenden Freitag wollen Generalstaatsanwaltschaft und Nebenklage plädieren. Die Verteidigung will ihr Plädoyer am 28. April halten, im Anschluss soll dann auch das Urteil gesprochen werden.
In das Urteil wird ein weiterer Vorfall einfließen, bei dem die Angeklagte laut Anklage drei Monate nach der Tat an der Uni erneut durch Gewalttätigkeiten und Beleidigungen aufgefallen war. Bei einem Polizeieinsatz an einem an der Moorweide gelegenen propalästinensischen Protestcamp soll sie versucht haben, eine Festnahme zu verhindern. Dabei habe sie Beamte geschlagen, getreten, gebissen und als «scheiß rassistische Polizisten» beschimpft.