Kiel (dpa/lno) – Schleswig-Holsteins Maritimer Koordinator Andreas Burmester sieht in den kommenden Jahren gute Chancen für das Entstehen eines Werftgiganten im deutschen Marineschiffbau. «Es wäre wünschenswert, wenn es dazu über den Umweg eines Investoreneinstiegs beim Kieler Marineschiffbauer Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) am Ende kommt», sagte Burmester der Deutschen Presse-Agentur. «Das halte ich nicht für unmöglich, denn das Geschäft boomt. Das ist kein Geheimnis.»
Burmeister berät die Landesregierung in allen Fragen rund um maritime Themen. Er war Technik-Vorstand der Kieler Werft, die er Ende 2020 verlassen hat. Thyssenkrupp und die US-Investmentgesellschaft Carlyle sind in eine vertiefende Prüfung und Bewertung der Marinesparte des deutschen Konzerns eingestiegen. Es geht dabei um einen möglichen Teilverkauf von TKMS an Carlyle. Zeitgleich laufen Gespräche mit der Bundesregierung zur Beteiligung des Staates am Marinegeschäft von Thyssenkrupp.
«Die Kreditanstalt für Wiederaufbau macht diesen Deal rund», sagte Burmester. «Denn die Mitbewerber von TKMS sind allesamt Staatskonzerne.» Der Einstieg des deutschen Staates über die Förderbank KfW könne das Geschäft beflügeln. Das Marinegeschäft habe lange Zyklen, Bauzeiten betrügen mehrere Jahre. Deshalb brauchten Marinewerften regelmäßig hohe Bürgschaften für den Bau von Fregatten oder U-Booten. Dies könne nach einem KfW-Einstieg leichter werden.
Umweg über Finanzinvestor Carlyle
«TKMS will zunächst einmal richtig aus dem Konzerngeflecht bei Thyssenkrupp hinauskommen», sagte Burmester. Deswegen könne dieser Umweg durchaus richtig sein. Der Investor halte Unternehmen in der Regel fünf Jahre. «Es würde mich deshalb nicht wundern, wenn dies nur erste Schritt ist und es in drei oder vier Jahren um den Zusammenschluss mit der Marinesparte von Lürssen geht.»
Burmester sieht Wachstumsperspektiven im Marineschiffbau in Deutschland und anderen westlichen Ländern. «China produziert im Moment innerhalb von zwei Jahren so viele graue Schiffe, wie zur britischen Flotte gehören. In den nächsten muss etwas passieren, sonst steckt der Westen seine Ziele auf inklusive der Probleme, die damit verbunden sind.» Der Marineschiffbau ist eine Schlüsseltechnologie. TKMS hat allein am Standort Kiel derzeit 3700 Beschäftigte, weltweit sind es nach Unternehmensangaben etwa 7500 bei einem Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Euro.
Sorgenfalten wegen Werften
Während Burmester für die große Kieler Werf gute Perspektiven sieht, sorgt ihn die Entwicklung bei den Werften Flensburger-Schiffbau-Gesellschaft (FSG) und Nobiskrug (Rendsburg) des Investors Lars Windhorst. «Zwar würde es beide Betriebe ohne den Einstieg von Windhorst wahrscheinlich nicht mehr geben», sagte Burmester. Aber beiden Betrieben fehlten weiter notwendige Aufträge. «Es ist ja kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Eine Werft ist dafür da, Schiffe oder Anlagen zu bauen und Innovationen aufzutreiben.» Unternehmen drohten den Anschluss zu verlieren, wenn Mitarbeitende nicht mehr im Training seien. «Und genau das passiert gerade.»
Interesse an den Industriekomplexen an der Flensburger Förde und direkt am Nord-Ostsee-Kanal in Rendsburg sei bereits vorhanden, sagte Burmester. «Für die beiden Standorte gibt es mindestens drei Interessenten.» Nähere Angaben dazu wollte er nicht machen.
Anfang Juni hatte der umstrittene Investor die neue Führungsspitze der Werften mit Robert Fischer von Mollard einen neuen Geschäftsführer und mit Michael Bollmann einen technischen Leiter präsentiert und auf einem Pressetermin in Flensburg deutlich gemacht, dass er sich als Teil dieser Zukunft sieht – auch wenn er sich aus dem operativen Geschäft bei den Schiffsbauern zurückzieht. Beide Werften haben seit Monaten Probleme; Gehälter wurden verspätet gezahlt, neue Aufträge waren Mangelware. Auch Windhorst persönlich wurde für sein Verhalten und mangelnde Kommunikation kritisiert.