Goldschmidt: Energiewende wichtiger als freier Blick

Langsamerer Windkraftausbau im Norden
Langsamerer Windkraftausbau im Norden Foto: Christian Charisius/dpa

Kiel (dpa/lno) – Umweltminister Tobias Goldschmidt will beim Windkraft-Ausbau in Schleswig-Holstein Tempo machen. «Die Belange der Energiewende gewichte ich höher als die Belange Einzelner, die sich um ihren freien Blick aus dem Wohnzimmerfenster in die Landschaft sorgen», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. «Als Politiker geht es mir um das Allgemeinwohl und ganz wesentlich dafür ist eine saubere und sichere Energieversorgung.»

Er sei froh über den Windfrieden in Schleswig-Holstein, sagte Goldschmidt. «Ich blicke mit Schaudern in einige andere Bundesländer, wo Windkraft zu einer ideologischen Frage geworden ist. Da wird der Strom aus der Steckdose gerne genommen, aber der Widerstand gegen Windräder mit teils wirren Argumenten zelebriert.» Er rate, nüchtern und sachlich über den Ausbau erneuerbaren Energien zu beraten.

Rückgang bei Genehmigungen

Ziel der Landesregierung sind 15 Gigawatt (GW) installierte Windkraftleistung auf drei Prozent der Landesfläche bis 2030. Ende Juni waren im Land 3.170 Windräder installiert mit einer Gesamtleistung von knapp 8,6 GW. Vor Inbetriebnahme standen 436 weitere Anlagen mit einer Leistung von zusammen gut 2,3 GW. Beim Vergleich mit konventionellen Kraftwerken muss beim Blick auf die installierte Leistung berücksichtigt werden, dass Windräder eine vom Windangebot abhängende Menge Strom erzeugen. 

Im ersten Halbjahr hat der Ausbau im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aber nachgelassen. Mit einem Zubau von 247 Megawatt (MW) durch 49 Anlagen lag das nördliche Bundesland nach früheren Angaben der Deutschen WindGuard GmbH nur auf dem dritten Platz hinter Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Im ersten Halbjahr 2023 waren noch 125 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 597 Megawatt errichtet worden.

Goldschmidt erwartet viele Genehmigungen

Der Rückgang habe auch mit der Witterung und mit Problemen bei den Lieferketten zu tun, sagte Goldschmidt. «An den Genehmigungen kann es nicht liegen, denn die haben wir wieder im Rekordtempo erteilt.» Nach 1200 MW 2023 seien im laufenden Jahr bereits 125 Anlagen mit etwa 700 MW genehmigt worden. «Wir haben gute Chancen, wieder ein Rekordjahr bei den Windkraftgenehmigungen zu haben.» Der Ball liege damit auf Seiten der Wirtschaft.

«Die alten Anlagen haben im Durchschnitt eine Leistung von 2,7 MW, bei den Neuen sind es 5,5 MW», sagte Goldschmidt. «Wir haben über neue Technologien pro Anlage eine Verdoppelung an Leistung. Das freut mich auch als Umweltminister, weil wir dadurch weniger Mühlen brauchen, um die gleiche Leistung zu erreichen.» Kritik am Ausbau nehme er ernst, sagte Goldschmidt. «Windkraft verändert unserer Heimat auch. Unsere Kulturlandschaft wird zunehmend auch Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen geprägt. Ich möchte, dass dieser Wandel gut gestaltet wird.» Die neue Windplanung des Landes sei rechtlich aber weniger angreifbar.

Solarenergie

Auch der Ausbau der Photovoltaik kommt voran. 3,4 GW beträgt die Gesamtleistung der 150.000 Anlagen mittlerweile nach Ministeriumsangaben. Mehr als die Hälfe befindet sich auf Gebäuden. «Wir haben im ersten Halbjahr 257 Megawatt an Zuwachs gehabt», sagte Goldschmidt. Die Anzahl der Neugenehmigungen lag im selben Zeitraum bei 125 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von knapp über 700 Megawatt.

«Dieser Zubau hat ein Investitionsvolumen von 530 Millionen Euro ausgelöst, weitere 122 Millionen durch Änderungen an bestehenden Anlagen», sagte Goldschmidt. Die Energiewende schaffe auf diese Weise Wohlstand in Schleswig-Holstein.