Hamburg (dpa/lno) – Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen hat Hamburgs Innensenator Andy Grote der FDP im Bund vorgeworfen, seit Jahren eine Verschärfung des Waffenrechts zu verhindern. «Das ist ein Riesenproblem für die Sicherheit in Deutschland», sagte der SPD-Politiker. Der Angriff in Solingen mit drei Toten und acht Verletzten stehe in einer langen Reihe von brutalen Messertaten im öffentlichen Raum. «Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Es braucht dringend eine Entwaffnungsstrategie für unser Land.»
Grote: Hamburg hat Vorschläge für ein schärferes Waffenrecht eingebracht
Hamburg habe in die Innenministerkonferenz längst konkrete Vorschläge für eine Verschärfung des Waffenrechts und Messerverbote im öffentlichen Raum, an Bahnhöfen und in Zügen eingebracht. Doch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werde von der FDP blockiert, die seit Jahren jede Verschärfung des Waffenrechts verhindere. Grote betonte: «Die Vorschläge liegen auf dem Tisch und müssen besser heute als morgen umgesetzt werden.»
Bundesjustizminister Marco Buschmann hat inzwischen Beratungen über das Waffenrecht für Messer angekündigt. «Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen», sagte der FDP-Politiker der «Bild am Sonntag».
Nach den Plänen von Faeser sollen Messer in der Öffentlichkeit nur noch bis zu einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern mitgeführt werden dürfen. Für gefährliche Springmesser soll es ein generelles Umgangsverbot geben.
Grüne auch für Verschärfung des Waffenrechts
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank sagte, SPD und Grüne seien sich bei einer Verschärfung des Waffenrechts bereits einig. «Wenn nun auch die FDP hier umzudenken scheint, wäre das eine gute Nachricht für unsere Sicherheit», sagte die Grünen-Politikerin. Denn Hieb- und Stichwaffen hätten in der Öffentlichkeit einfach nichts zu suchen.
Gleichzeitig warnte sie, dass ein schärferes Waffenrecht allein solch schlimme Angriffe und Attentate nicht völlig verhindern werde. «Deshalb ist es mir politisch wichtig, das Motiv für diese Morde klar zu benennen: Es ist der Islamismus». Er sei eine Gefahr für die Freiheit. «Islamismus tötet, auch hier in Deutschland.» Und das bedeute, der Islamismus müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpft und es dürfe keine falsche Toleranz gezeigt werden.
Ähnlich äußerte sich die Fraktionsvorsitzende der Linken, Cansu Özdemir: «Die Linke ist prinzipiell für ein schärferes Waffenrecht.» Sie bezweifle aber, dass dies islamistische Terroranschläge, vor allem unorganisierter islamistischer Einzelpersonen, verhindern könne. «Wir machen in Hamburg seit Jahren deutlich, dass die Gefahr von islamistischen Organisationen und Einzelpersonen immer weiter steigt und dass dies Grund zu ernsthafter Sorge ist», sagte Özdemir. So sei die islamistische Szene innerhalb von zehn Jahren deutlich gewachsen und habe Ende 2023 mehr als 1.500 Personen umfasst.
Thering: Islamistische Gefährder ohne Wenn und Aber abschieben.
Hamburgs CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender Dennis Thering betonte: «Es ist an der Zeit, statt weiterer Allgemeinplätze und Beschwichtigungen, jetzt endlich die richtigen Konsequenzen aus Solingen und weiteren Angriffen zu ziehen.» Für ihn bedeute das, den Islamismus und die Radikalisierung in Moscheen zu bekämpfen und vor allem islamistische Gefährder ohne Wenn und Aber abzuschieben. Dafür sei eine Stärkung der Sicherheitsapparate unumgänglich. Zudem brauche es mehr Grenzkontrollen. Illegale Migration müsse verhindert, Flüchtlinge, die kein Asylrecht hätten, müssten ausgewiesen und Asylverfahren außerhalb Europas organisiert werden. «Diese Maßnahmen liegen bereits lange auf dem Tisch, doch die Bundesregierung und hier vor allem auch SPD und Grüne verweigern deren Umsetzung», sagte Thering.
Der Oppositionsführer klagte, in Hamburg habe Rot-Grün mit der Fortsetzung der Islamverträge zuletzt gezeigt, dass kein Interesse daran bestehe, die Probleme des Islamismus und den problematischen Umgang einzelner Vertreter der Verbände konsequent aufzuarbeiten. Das Verbot des Islamischen Zentrums (IZH) und der Blauen Moschee habe viel zu lange gedauert und reiche auch allein nicht aus. «Bund und Länder müssen jetzt konsequent handeln, ansonsten profitieren die Falschen und vor allem leiden dann auch diejenigen Migranten, die hier friedlich und integriert leben oder tatsächlich unsere Hilfe, unseren Schutz brauchen.»
Hamburger Politiker bestürzt über Solinger Attentat
In Hamburg zeigten sich führende Politikerinnen und Politiker entsetzt von der Tat in Solingen. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit schrieb auf der Plattform X: «Dieser Hass auf fröhlich feiernde Menschen ist unbegreiflich, sinnlos und erschütternd.» Sie sei in Gedanken bei den Opfern, «wir trauern mit ihren Angehörigen». Den Verletzten wünsche sie Kraft und eine schnelle Genesung.
«So grausam & schrecklich, was in Solingen passiert ist», schrieb Fegebank auf der Plattform X. Ihre Gedanken seien bei den Opfern, ihren Familien und Freunden, bei allen Menschen in Solingen. Thering schrieb auf der Plattform: «In diesen schweren Stunden sind meine Gedanken bei allen, die vom tragischen Ereignis in Solingen betroffen sind.» Er wünsche den Verletzten eine rasche Erholung und den Angehörigen viel Kraft.
Auch Vertreter der Kirchen entsetzt
Auch Vertreter der beiden großen Kirchen reagierten schockiert auf den Anschlag. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, betonten gemeinsam: «Als Kirchen trauern wir mit den Angehörigen der Opfer und beten für die Verletzten und Verstorbenen.» Diese hemmungslose Gewalt sei durch nichts zu rechtfertigen. «Die Tat von Solingen lässt uns in einen Abgrund des Bösen schauen.» Bätzing ist Bischof von Limburg, Fehrs ist Bischöfin der Nordkirche.
Am Freitagabend hatte ein Mann auf einem Jubiläumsfest zum 650. Gründungstag der Stadt Solingen – dem «Festival der Vielfalt» – offenbar willkürlich auf Umstehende eingestochen. Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik. Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Terrormiliz IS reklamierte die Tat für sich, eine Bestätigung der Sicherheitsbehörden für ein islamistisches Tatmotiv gibt es bislang aber nicht.
26-jähriger Syrer stellt sich der Polizei
Nach Polizeiangaben stellte sich am Samstagabend ein 26-jähriger Syrer den Ermittlungsbehörden. Der Mann habe angegeben, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Wie der «Spiegel» berichtete, kam der Verdächtige Ende 2022 nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Die Bundesanwaltschaft hat den Fall an sich gezogen und ermittelt gegen den Tatverdächtigen wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).