Hamburg (dpa/lno) – Aus Furcht vor Nachahmern des tödlichen Anschlags von Solingen ist ein im Hamburger Grindelviertel geplantes Straßenfest abgesagt worden. «Wir sind leider zu dem Entschluss gekommen, dass wir trotz Security und Unterstützung der Polizei keine Sicherheit garantieren können», heißt es in einer Erklärung des Grindel-Vereinsvorsitzenden Jimmy Blum, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Das «Hamburger Abendblatt» hatte zuerst berichtet. «Genau wie in Solingen wollten wir die Vielfalt feiern – das erhöht das Risiko von Nachahmern sehr.»
Der Veranstalter habe die Polizei über die Absage informiert, hieß es aus dem Präsidium. Die Entscheidung habe der Veranstalter selbst getroffen.
Fest sollte jüdisches Leben in den Mittelpunkt stellen
Der Verein war nach eigenen Angaben von der Bezirksversammlung Eimsbüttel damit beauftragt worden, in diesem Jahr gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde und in Kooperation mit Kultureinrichtungen ein Fest der Vielfalt mit jüdischer Lebenskultur zu organisieren.
Die Veranstaltung sollte demnach unter dem Motto «Grindelfest: Kultur. Jüdisch. Bunt» vom 13. bis 15. September stattfinden. Geplant gewesen seien unter anderem Bühnen vor den Hamburger Kammerspielen und auf dem Joseph-Carlebach-Platz. Auf dem Allendeplatz sollten sich verschiedene Kulturvereine und -Organisationen präsentieren.
Das Grindelviertel war vor dem Holocaust Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburg. Die unter der Nazi-Herrschaft zerstörte Bornplatzsynagoge – bei ihrer Einweihung 1906 das größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland – soll dort wiederaufgebaut werden.
Absage sei eigentlich falsches Signal, aber Sicherheit gehe vor
Es sei ihm bewusst, «dass wir mit der Absage eigentlich ein falsches Zeichen setzen», sagte Blum der dpa. Letztlich sei es genau das, was Terroristen erreichen wollten. Veranstaltungen im öffentlichen Raum seien aber immer mit einem Risiko verbunden. «Ich weiß, Angst ist kein guter Berater», sagte er. «Aber so wenige Tage nach Solingen war uns klar, dass wir als kleiner Grindel-Verein die Verantwortung nicht tragen können.» Die Absage sei dem Verein nicht leicht gefallen.
Bei dem mutmaßlichen islamistischen Terroranschlag in Solingen waren am vergangenen Freitag drei Menschen bei einem Stadtfest mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt worden. Mutmaßlicher Täter ist ein 26 Jahre alter Syrer, der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
CDU: Senat soll für sichere Durchführung des Fests sorgen
Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Anke Frieling, bezeichnete die Absage des Grindelfestes als «Armutszeugnis» für die Stadt. «Ich kann die Beweggründe des Veranstalters sehr gut nachvollziehen, doch gerade jetzt ist es wichtig, dass solche friedlichen Feste für Toleranz und Vielfalt in unserer Stadt sicher durchgeführt werden können.» Sie forderte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf, «gemeinsam mit dem Veranstalter und allen relevanten Gruppen umgehend in den Austausch zu treten, damit das Grindelfest wie geplant sicher und friedlich stattfinden kann.»
Wenn öffentliches jüdisches Leben in Hamburg nicht mehr stattfinden könne, «ist das ein Alarmsignal», sagte auch die Landesvorsitzende der FDP, Sonja Jacobsen. «Der gewaltbereite Islamismus ist die stärkste Bedrohung unserer freien Gesellschaft. Der Senat muss sich selbst prüfen, ob er angesichts dieser Lage die richtigen Prioritäten im Kampf gegen Verfassungsfeinde setzt.»