Kiel (dpa/lno) – Wegen des teilweise mit Notkrediten finanzierten Haushalts haben SPD und FDP vor dem Landesverfassungsgericht Schleswig-Holsteins Klage eingelegt. «Wir haben die Pflicht und die Verantwortung, auf die Einhaltung der Verfassung zu pochen», sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli bei einer Pressekonferenz in Kiel. Beide Parteien sehen alle drei Notlagenkredite des Haushalts als verfassungswidrig an.
Zwar hätten Notkredite gerade in Krisenzeiten den Staat handlungsfähig gemacht, dennoch müssten diese im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgen. Es gehe bei der Klage ausschließlich darum, dass der Missbrauch von Notkrediten für Aufgaben, die mit den Notlagen nichts zu tun habe, nicht gehe. Und das lassen wir nun von dem Landesverfassungsgericht überprüfen, sagte Midyatli.
«Unsere verfassungsrechtlichen Zweifel in der schwarz-grünen Haushaltspolitik sind im Verlauf der ganzen Diskussion jetzt auch nicht kleiner geworden», erklärte zudem FDP-Fraktionschef Christopher Vogt.
Zweifel an den Notlagen
Es sei die Pflicht der Opposition solche Zweifel dann vor die dafür zuständigen Instanzen zu bringen, betonte der Rechtswissenschaftler und Verfahrensbevollmächtigte Simon Kempny von der Universität Bielefeld. Die Klage stütze sich in erster Linie gegen die Bewilligung der Notlagenkredite. So werde die Corona-Notsituation, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Sturmflut vom vergangenen Oktober als Notlagen herangeführt.
Nach Ansicht Kempnys komme man in allen drei Fällen dazu, dass die Kreditaufnahme nicht mit den Notlagen gerechtfertigt werden kann. Bei dem Fall der Corona-Pandemie liege im verfassungsrechtlichen Sinne keine Notlage mehr vor. Ebenfalls spiele der Krieg in der Ukraine keine außergewöhnliche Rolle im Haushaltsjahr 2024. So seien etwa die Energiepreise seit Herbst 2022 wieder gesunken.
Beim Notkredit zur Sturmflut liege zwar eine Naturkatastrophe vor. Doch der Notlagenkredit umfasse weniger als ein Prozent des Gesamthaushaltsumfangs. Daher könnte dieser auch durch Haushaltseinsparungen finanziert werden. «Also es fehlt schon an dieser erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage durch die insoweit vorliegenden Naturkosten», so Kempny.
Tilgungsplan fehlt
Die Politik sollte zudem immer zum Zeitpunkt der Kreditbewilligung auch Rechenschaft darüber ablegen müssen, wann sie den Kredit denn zu tilgen bedenke. «Deswegen muss eben von vornherein ein wirksamer Tilgungsplan beschlossen werden», erklärte der Rechtswissenschaftler. Bei den jetzigen Notkrediten gebe es allerdings die Situation, dass der Landtag beschlossen hat, dass der Gesamttilgungsbetrag im Tilgungsgesetz erhöht wird.
Dies führt laut Kempny dazu, dass lediglich von CDU, Grüne und SSW eine Absicht zur Gesetzesänderung beschlossen wurde, allerdings nicht das Gesetz geändert wurde. Daher liegt nach Ansicht des Rechtswissenschaftlers derzeit kein Tilgungsplan vor.
Disziplinierung durch Klage?
Allerdings ist abzusehen, dass das Landesverfassungsgericht über die Klage erst entscheidet, wenn das Haushaltsjahr 2024 beendet ist. Daher sehen FDP und SPD die Klage als disziplinarische Maßnahmen für zukünftige Haushalte. So werde dieser Haushalt per Gericht überprüft, um sicherzustellen, dass die Landesregierung zukünftig verfassungskonforme Haushalte anbiete, sagte SPD-Fraktionschefin Midyatli.
Nach Ansicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden Vogt wirkt die Disziplinierung bereits: «CDU und Grüne haben, so war mein erster Eindruck, nicht damit gerechnet, dass die SPD mit uns das Quorum herstellt.» Zwar hätte die Landesregierung Gelassenheit demonstriert, dennoch habe sich die Rhetorik verändert – dies nehme Vogt als Zeichen.
CDU von Verfassungskonformität überzeugt
Die CDU ist hingegen weiterhin davon überzeugt, dass der Haushalt 2024 verfassungskonform ist. «Unser Landeshaushalt ist nicht mit dem vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Nachtragshaushalt 2021 der Ampel vergleichbar», erklärte der finanzpolitische Sprecher der CDU, Ole Plambeck. Daher sehe man der Klage gelassen entgegen.
«Bei der Haushaltsaufstellung Anfang des Jahres keine einzige Alternative vorzulegen und nun gegen den Haushalt zu klagen, ist keine seriöse Politik», betonte Plambeck.