Hamburg (dpa/lno) – Fast zweieinhalb Jahre nach einem tödlich geendeten Trinkgelage in Hamburg-Lohbrügge hat das Landgericht einen Angeklagten zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der 42-Jährige hatte in dem Prozess gestanden, am 23. März 2022 seinem auf einem Sofa schlafenden Bekannten mit einem Messer in die Brust gestochen zu haben. Das 43 Jahre alte Opfer starb noch in der Wohnung des Angeklagten.
Freispruch in erster Instanz aufgehoben
In erster Instanz hatte eine andere Strafkammer am Landgericht den Russlanddeutschen vom Mordvorwurf freigesprochen. Das Gericht hatte nicht zweifelsfrei feststellen können, wer für den Tod des 43-Jährigen verantwortlich war. Sowohl der Angeklagte als auch dessen Freundin standen im Verdacht. Es verurteilte den Beschuldigten jedoch wegen anderer Delikte zu einem Jahr Gefängnis. Außerdem wurde die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet. Der Bundesgerichtshof hatte danach den Freispruch aufgehoben, das Urteil im übrigen aber bestätigt.
Toxisch aufgeladenes Beziehungsgefüge
Zur Vorgeschichte der Tat erklärte die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner am Dienstag, der Angeklagte und das spätere Opfer seien alkoholkrank gewesen. Der Angeklagte habe häufiger Sex mit der Lebensgefährtin seines Bekannten gehabt, es aber nicht geduldet, dass dieser mit seiner eigenen Freundin ins Bett ging. Der Bekannte habe das hingenommen, weil er von dem Angeklagten immer wieder Alkohol bekam. Die Richterin sprach von einem «toxisch aufgeladenen Beziehungsgefüge».
Gelage begann um 7.00 Uhr morgens
Am Tattag sei der Bekannte morgens um 7.00 Uhr zum Trinken gekommen. Die beiden Männer hätten viel Alkohol konsumiert, während die Freundin nüchtern blieb. Am Nachmittag hätten die Männer auch die Lebensgefährtin des Opfers eingeladen. Diese habe mitgetrunken. Als der Bekannte und dessen Lebensgefährtin auf dem Sofa eingeschlafen waren, stach ihm der Angeklagte mit dem Messer in die Brust. Der 43-Jährige verblutete. Das Motiv für die Tat sei unklar, möglicherweise sei der Angeklagte über die Annäherungsversuche des Opfers an seine Freundin verärgert gewesen.
Für die Tat hatte der 42-Jährige zunächst eine unbekannte fünfte Person verantwortlich gemacht. Seine Freundin hatte er verpflichtet, diese erfundene Geschichte gegenüber der Polizei zu bestätigen. Diese Schutzbehauptung sei unplausibel und «an Dummheit nicht zu überbieten» gewesen, sagte Koerner.
Neue Ermittlungen führen zu Geständnis
Nach dem Freispruch in erster Instanz ermittelte die Polizei weiter und überwachte die Telekommunikation der Beteiligten. Schließlich räumte die Freundin ein, die Unwahrheit gesagt zu haben. Daraufhin gestand der Angeklagte die Tat, wie die Richterin sagte.
Das Gericht verurteilte ihn nun wegen heimtückischen Mordes in einem minderschweren Fall zu neun Jahren Haft. Zusammen mit den bereits rechtskräftigen Verurteilungen wegen anderer Delikte ergab das eine Gesamtstrafe von zehn Jahren.
«Ein wandelndes Pulverfass»
Das Gericht bestätigte auch die Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie. «Dort sitzt der Angeklagte völlig zu Recht», sagte Koerner. Er sei alkoholkrank, seine Sucht aber nicht therapierbar. Außerdem habe er eine verminderte Intelligenz und eine Affinität zu Waffen. Unter Alkoholeinfluss reagiere er impulsiv. Er sei eine Gefahr für die Allgemeinheit. «Bei dem Angeklagten handelt es sich um ein wandelndes Pulverfass», sagte die Richterin. Das Urteil wegen Mordes ist noch nicht rechtskräftig.