Kiel (dpa) – Die schwarz-grünen Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen planen gemeinsame Bundesratsinitiativen im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik. Die Herausforderungen der veränderten Sicherheitslage könnten nicht in den eigenen Landesgrenzen gelöst werden, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach einer gemeinsamen Kabinettssitzung beider Regierungen in Kiel. «Für zentrale Themen brauchen wir aber bundesweit einheitliche Lösungen.»
Wüst erklärte: «Der Spätsommer ’24 ist aus meiner Sicht eine doppelte Zäsur für unser Land – einerseits wegen des terroristischen Anschlags in Solingen und andererseits, weil zum ersten Mal in einem deutschen Land eine rechtsextreme Partei stärkste Kraft bei einer Landtagswahl geworden ist.» Beide Themen hätten als Schnittmenge die Migration, daher sei der Umgang mit dem Thema entscheidend, um den Menschen das Gefühl der Sicherheit wiederzugeben. Die Antworten auf die drängendsten Fragen Migration, innere Sicherheit und Klimawandel, müssten aus der Mitte der Gesellschaft kommen.
Schleswig-Holstein beschließt Sicherheitspaket
Nach dem mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen hatte die schwarz-grüne NRW-Regierungskoalition ein umfangreiches Sicherheitspaket mit Dutzenden Maßnahmen vorgelegt: mehr Polizeibefugnisse, schärfere Abschieberegeln, Stärkung des Verfassungsschutzes, strengere Überwachung potenzieller Extremisten und besserer Datenaustausch der Behörden. Die Kieler Regierung verabschiedete am Tag des Kabinettstreffens nun ebenfalls ein Sicherheitspaket.
Es sieht unter anderem mehr Möglichkeiten für die Polizei bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz, die Nutzung von Gesichtserkennungs-Software beim Abgleich mit Datenbanken und auch mehr Kompetenzen für den Verfassungsschutz vor. Ebenso soll sichergestellt werden, dass keine Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst eingestellt werden.
Gleichzeitig braucht es laut der Kieler Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) auch Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter. Die Landesregierung will mit dem Paket «alle Wege gehen», um die Arbeitsmarktintegration zu beschleunigen.
Unterstützung für Merz
Zudem wurde die gemeinsame Kabinettssitzung auch von der Kanzlerfrage überschattet. So sprach sich Günther noch vor Beginn der Sitzung für die Wahl von Friedrich Merz als Kanzlerkandidat aus. Dieser hatte sich zuvor mit CSU-Chef Markus Söder geeinigt, dass Merz bei der nächsten Bundestagswahl den Kanzler Olaf Scholz (SPD) herausfordern wird. «Ich werde nach allen Kräften Friedrich Merz als Kanzlerkandidaten unterstützen», sagte Günther. Am Tag zuvor hatte bereits Wüst erklärt, aktuell für eine Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung zu stehen und Merz zu unterstützen.
Reform der Schuldenbremse?
Zu Beginn ihres Treffens hörten die Politiker einen Impulsvortrag des Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, in dessen Gebäude sie tagten. Er habe den Regierungen erklärt, «was sie zu tun haben, damit das Land wieder auf Vordermann kommt», sagte Schularick. Dazu gehörten eine Reform der Schuldenbremse und ein neues Sondervermögen für Verteidigung. Nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers braucht es neben den bereits nach Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine beschlossenen 100 Milliarden Euro weitere 300 Milliarden in den kommenden Jahren. Aus dem Haushalt sei das nicht zu finanzieren.
Handball verbindet
Günther und Wüst eint nicht nur die Farbe der Koalitionspartner und eine demonstrative politische Geschlossenheit. Beide spielten früher Handball. «Auf ordentlichem Niveau, aber wir haben nie Bundesliga gespielt», wie Günther zu Beginn der Beratungen in Kiel mit Blick auf die Förde und den Olympiahafen von 1936 sagte.
Seinem Gast aus NRW schenkte Günther einen Handball, mit den Unterschriften der drei Silbermedaillen-Gewinner aus dem Norden, Andreas Wolff, Rune Dahmke (beide THW Kiel) und Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt). Zudem verriet Günther, dass Wüsts Spitzname beim Handball Henne gewesen sei. Der Gast überreichte dem Norddeutschen das Modell einer Schiffskupplung.
Nach der gemeinsamen Kabinettssitzung besuchten die Landesregierungen zudem das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.