Hamburg (dpa/lno) – Drei Spiele, kein Punkt: Der Saisonstart der beiden Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel und FC St. Pauli ist ernüchternd. Gerade für die Kieler steht an diesem Samstag ein besonders wichtiges Spiel beim ebenfalls noch sieglosen VfL Bochum an (15.30 Uhr/Sky). St. Pauli spielt am Sonntag gegen RB Leipzig.
Was läuft bisher schief?
Quervergleiche hinken häufig. Aber es ist trotzdem keine allzu gewagte These, wenn man sagt: Die Bundesliga-Teams von Holstein Kiel und vom FC St. Pauli sind im Vergleich zu den Aufstiegs-Mannschaften der vergangenen Saison nicht besser, sondern eher schwächer geworden. Und sie müssen nun in der ersten Liga gegen deutlich stärkere Gegner bestehen, die ihre Fehler auch viel schneller bestrafen.
Die Kieler verwendeten einen Großteil ihres Transferbudgets dafür, erst einmal nur die beiden Leistungsträger Philipp Sander (Borussia Mönchengladbach) und Tom Rothe (Union Berlin) zu ersetzen. Spieler, die den Kader auf Anhieb verstärkten, kamen nicht.
Auch der FC St. Pauli verlor im Sommer seinen besten Spieler (Marcel Hartel) und sogar den Aufstiegstrainer (Fabian Hürzeler). Dazu veränderte der neue Coach Alexander Blessin auch das vertraute und erfolgreiche Spielsystem. Das kostete den Aufsteiger noch mehr Selbstsicherheit und Offensivkraft. «Wir brauchen die Tapferkeit, die wir fast das ganze letzte Jahr hatten», sagte der Abwehrchef Eric Smith nach dem 1:3 in Augsburg.
Was ist das größte Problem?
Clubs wie Werder Bremen im Jahr 2022 oder der VfB Stuttgart 2020 haben in der Regel keine großen Anpassungsprobleme, wenn sie in die Bundesliga zurückkehren. Schaffen aber Außenseiter wie Darmstadt 98 im vergangenen Jahr, SpVgg Greuther Fürth 2021 oder eben Kiel und St. Pauli in diesem Sommer den Aufstieg, dann haben sie ein Problem: «Der nächste Cluster von Clubs in der Liga ist allein von den Kaderkosten etwa 30 Millionen Euro stärker aufgestellt», sagte Pauli-Präsident Oke Göttlich der «Hamburger Morgenpost».
Das bedeutet: Gegner wie Augsburg oder Mainz sehen auf dem Papier vielleicht schlagbar aus. Sie haben aber deutlich mehr Geld und einen jahrelangen Vorsprung.
Was sagen die Zahlen?
Sechs Niederlagen in den ersten sechs Spielen: Das ist bislang der negative Startrekord in der Geschichte der Bundesliga. Gehalten wird er vom VfL Bochum in der Saison 2022/23, von Mainz 05 2020/21 und von Fortuna Düsseldorf 1991/92
Die gute Nachricht für Kiel und St. Pauli ist: Bochum und Mainz schafften jeweils trotzdem noch den Klassenerhalt. Aber: Die großen Außenseiter der vergangenen Jahre – Darmstadt in der Saison 23/24, Fürth 21/22, SC Paderborn 19/20 und Eintracht Braunschweig 13/14 – holten in den ersten fünf Spielen jeweils nur einen Punkt und stiegen nach nur einem Jahr in der Bundesliga wieder ab.
Was macht Hoffnung?
40 Punkte braucht man für den Klassenerhalt: Das war jahrelang eine Art Faustformel in der Bundesliga. Das starke Leistungsgefälle in der Liga sorgt aber dafür, dass in den vergangenen vier Jahren jeweils schon 33 Zähler für den Relegationsplatz reichten. 2020 (31) und 2019 (28) waren es sogar noch weniger.
Eine solche Punktzahl trauen sich auch die beiden Aufsteiger zu. «Ich würde den Fußballexperten gern sprechen, der unser Team deutlich schwächer bewertet als jene unserer unmittelbaren ökonomischen Wettbewerber wie Bochum, Kiel und Heidenheim», sagte Göttlich.
Bei Holstein Kiel kommt noch der Faktor Zeit hinzu. Trainer Marcel Rapp und Sportchef Carsten Wehlmann setzen darauf, unerfahrene Neuzugänge wie Max Geschwill (SV Sandhausen) oder Phil Harres (FC Homburg) genauso schnell weiterentwickeln zu können, wie sie das im Vorjahr mit zahlreichen Aufstiegsspielern geschafft haben.
Was sagen die Protagonisten?
Nervös ist in Kiel und Hamburg noch niemand geworden nach dem Fehlstart. «Wir sind jetzt hier, und wir wollen hier bleiben», sagte St. Paulis Abwehrspieler Karol Mets in dieser Woche trotzig. «Und wir glauben daran, dass wir es schaffen können.»
Holstein-Trainer Rapp klingt ganz ähnlich. «Die Stimmung ist nicht euphorisch. Aber sie ist auch weit weg von schlecht», sagte er. «Wir sind vor drei Monaten hier durch die Straßen gefahren. Alle haben uns zugejubelt, dass wir in der Bundesliga spielen. Diese Euphorie nehmen wir mit. Das sollten wir uns erhalten. Wir sind nicht da, um Moin zu sagen und Trikots zu tauschen. Sondern wir wollen alles dafür tun, dass wir nächstes Jahr nochmal in der Bundesliga spielen.»