Hannover (dpa) – Das niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLG) rechnet mit einer Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke auch im Norden und weitet deshalb die Überwachung der Insekten aus. «Bisher gab es sie vor allem im Oberrheingebiet in Baden-Württemberg, aber mittlerweile ist sie auch in Bayern, Thüringen und Berlin nachgewiesen», sagte Virologe Masyar Monazahian vom NLG der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. «In Zukunft werden bestimmt auch die nördlichen Bundesländer betroffen sein.»
Die tagaktive Tigermücke könnte Erreger wie das Dengue-Virus oder das Chikungunya-Virus übertragen. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) rechnete damit, dass sich die Asiatische Tigermücke vom Südwesten her in Deutschland weiter ausbreitet.
Wenn eine Mücke einen mit dem Dengue-Virus infizierten Menschen sticht, könnte sie den Erreger beim nächsten Stich an einen anderen Menschen übertragen. Das RKI berichtete schon im Mai von einer hohen Zahl gemeldeter Denguefieber-Fälle aufgrund von Reiserückkehrern aus tropischen Ländern. In seltenen Fällen kommt es bei der Krankheit zu schweren Verläufen oder sogar Todesfällen.
Laut Monazahian werden Stechmücken in Niedersachsen systematisch beobachtet, und zwar an Standorten in der Region Hannover sowie in den Landkreisen Hildesheim, Cuxhaven und Wilhelmshaven. In diesem Jahr wurden weitere Fallen aufgestellt – an Orten, an denen man vermutet, dass die Tigermücke durch Warenverkehr, Blumenhandel oder über Seehäfen eingeschleppt werden könnte, unter anderem nahe der niederländischen Grenze.
Zwei Funde von exotischer Mücke in Hannover
Demnächst können Bürgerinnen und Bürger dem Virologen zufolge verdächtige Mücken beim Landesgesundheitsamt untersuchen lassen. Ein entsprechendes bundesweites Projekt – der sogenannte Mückenatlas – läuft bereits erfolgreich seit 2012 und ist am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und am Friedrich-Loeffler-Institut etabliert.
Das NLG wurde in diesem März von dem Projekt darüber informiert, dass bereits 2023 in Hannover-Hainholz und Hannover-Kirchrode jeweils eine Asiatische Tigermücke entdeckt wurden. Monazahian zufolge wurden rund um die Fundorte aber keine weiteren Tiere der Art gefunden – die beiden Exemplare wurden vermutlich etwa im Auto oder Koffer aus anderen Teilen Deutschlands oder Europas mitgebracht.
Wegen der großen Niederschlagsmengen in den vergangenen Monaten sind Regentonnen, Mulden und Bachläufe gut mit Wasser gefüllt – die feuchtwarme Witterung ist ideal für die Insekten. Derzeit seien Waldmücken, Wiesenmücken, Hausmücken und Überflutungsmücken aktiv, berichtet die Biologin Doreen Werner, Initiatorin des bundesweiten Mückenatlas. Bürgerinnen und Bürger können hier gefundene Tiere einschicken und bestimmen lassen.
Forscherin: Keine Mückenplage im Norden
Anders als in den Hochwassergebieten in Süddeutschland könne man im Norden nicht von einer Mückenplage sprechen, sagte Werner. «Erst wenn wir pro Minute 20 Mal und mehr gestochen werden, können wir von einer Plage sprechen.» Die Wissenschaftlerin vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung in Müncheberg (Brandenburg) betonte: «Aktuell fühlen wir uns geplagt, aber es ist noch keine Mückenplage.»
Das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt fahndet in einem Projekt gemeinsam mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin im Hamburger Hafen ebenfalls nach invasiven Stechmücken. Ziel ist es, eine Einschleppung der Exoten frühzeitig zu erkennen. Dazu wurden auch in Frachträumen von Schiffen Fallen aufgestellt. 2023 wurden nach Behördenangaben keine invasiven Arten entdeckt, die Auswertung für 2024 läuft noch.
Ein Pferd mit West-Nil-Virus
Aber auch heimische Stechmücken können verschiedene Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus übertragen. Allerdings erkranken nur 20 Prozent der Betroffenen, 80 Prozent bleiben symptomlos. Die Mücken übertragen dieses Virus eigentlich von Vogel zu Vogel. Menschen oder auch Pferde sind Fehlwirte. Das heißt, sie erkranken zwar, können aber das Virus nicht weitergeben.
Das West-Nil-Virus wurde in Niedersachsen dem NLG-Virologen zufolge Anfang des Jahres bei einem Pferd in der Grafschaft Bentheim nachgewiesen. «Deshalb haben wir dort auch eine Falle aufgestellt.» Im Osten Deutschlands gibt es laut RKI jedes Jahr einige West-Nil-Übertragungen, die nicht auf Reiserückkehrer zurückgehen.
In der Regel sind Mückenstiche nur lästig, die Übertragung von Krankheitserregern ist höchst selten. Wenn sie sich entzünden, liegt das daran, dass man sich kratzt und dadurch Dreckpartikel und Bakterien eindringen.