
Berlin/Hamburg (dpa/lno) – Die Zahl unerledigter Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften ist nach Angaben des Deutschen Richterbundes in Hamburg so stark wie in keinem anderen Bundesland gestiegen. Verzeichneten die Ermittler 2021 noch 22.900 unerledigte Fälle, so wuchs der Aktenberg mit offenen Verfahren im vergangenen Jahr auf 47.953, wie die Juristenvereinigung unter Berufung auf eine Umfrage der «Deutschen Richterzeitung» bei den Justizministerien der Länder mitteilte.
Das bedeute einen Anstieg um mehr als 100 Prozent in Hamburg. Im Durchschnitt der Länder gab es laut Richterbund seit 2021 eine Zunahme unerledigter Verfahren um 30 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 930.000 Fällen in ganz Deutschland.
Zahl der neu eingeleiteten Verfahren in Hamburg ist weiter hoch
Auch bei der Zahl der Neuzugänge zeichnet sich laut Richterbund keine Entspannung ab. So ging die Zahl neuer Verfahren gegen namentlich bekannte Tatverdächtige 2024 in Hamburg zwar zum Vorjahr um knapp 9.000 auf 167.304 zurück. Gegenüber dem Jahr 2021 waren das aber noch immer knapp 20.000 Neuzugänge mehr.
«Die Alarmsignale für einen überlasteten Rechtsstaat häufen sich», warnte der Bundesgeschäftsführer der Richtervereinigung, Sven Rebehn, mit Bezug auf die bundesweiten Zahlen. Steigende Aktenberge führten dazu, dass sich Strafverfahren in die Länge zögen. Außerdem würden die Anklagezahlen sinken.
Anlass zur Sorge gebe auch, dass deutsche Gerichte 2024 bundesweit «mehr als 60 dringend Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen mussten, weil deren Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung für Haftfälle bearbeitet werden konnten», sagte Rebehn. Er forderte ein Sofortprogramm, «damit die Strafjustiz nicht zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung wird».
Justizbehörde verweist auf «Personaloffensive»
In Hamburg habe es im vergangenen Jahr keine Haftentlassungen durch das Hanseatische Oberlandesgericht wegen vermeidbarer Verfahrensverzögerungen gegen, sagte ein Sprecher der Justizbehörde der Deutschen Presse-Agentur.
Als zweitgrößte Staatsanwaltschaft Deutschlands sei die Hamburger Anklagebehörde mit einer Vielzahl von Kriminalitätsphänomenen konfrontiert und verzeichne seit Jahren steigende Verfahrenszahlen. «Aus diesem Grund haben wir die Hamburger Staatsanwaltschaft mit einer Personaloffensive massiv gestärkt», sagte er.
In der zu Ende gehenden Legislaturperiode seien für die Justiz insgesamt 118 neue Stellen geschaffen worden, davon 87 für die Strafjustiz. «Die Strafjustiz wurde zuletzt in den Bereichen Organisierte Kriminalität und Sexualisierte Gewalt an Kindern massiv verstärkt», sagte er. «Wir reagieren auch auf steigende Fallzahlen bei Geldwäschedelikten und Wirtschaftsstrafsachen, Betrugsdelikten, Diebstahl und Hasskriminalität.»