Hamburg (dpa/lno) – Eines der meistbeachteten Beteiligungsmodelle für Großprojekte in Hamburg ist am Ende. Die Planbude, im Auftrag des Bezirks Mitte gegründet, um die Anliegen der Anwohner der geplanten Esso-Häuser an der Reeperbahn im Stadtteil St. Pauli zu vertreten, wirft nach zehn Jahren entnervt hin. Der Grund: Die zur Münchner Schörghuber Gruppe gehörende Bayerische Hausbau als Grundstückseigentümerin und Bauherrin trete das Projekt trotz aller Bemühungen einfach in die Tonne, erklärte die Planbude.
Planbude: Konzern hat nicht mehr die Fähigkeit die Esso-Häuser zu bauen
«Erbe Florian Schörghuber übernimmt das Ruder im Konzern und schrumpft bei eingetrübter
Baukonjunktur die Abteilung für Projektentwicklung auf ein Achtel», klagte die Initiative. Längst habe die Bayerische Hausbau das Fachpersonal entlassen. «Seien wir ehrlich: Der Konzern hat gar nicht mehr die Fähigkeit, die selbst geplanten Esso-Häuser zu bauen.»
Stattdessen verbreite das Unternehmen, dass viele Bürgerwünsche dazu geführt hätten, dass seit dem Abriss der früheren Bebauung und der berühmten Esso-Tankstelle im Jahr 2014 mitten auf dem Kiez eine rund 6.000 Quadratmeter große Baulücke klafft – und das nach all den Fortschritten wie Architekturwettbewerb 2016, städtebaulichem Vertrag 2018, millionenschweren Subventionszusagen der Stadt und einem gültigen Bebauungsplan.
Planbude auch über rot-grünen Senat verärgert
Auch ärgert die Planbude, dass Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein und Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) die Erzählung der Bayern übernähmen. «Unisono redet man schlecht, was man selbst beauftragt, verhandelt und mit entwickelt hat.» So werde auf Senatsebene unbelastet von zu viel Wissen um die Qualitäten des Projekts im Paloma-Viertel verhandelt.
Auch sei man bereit, die eigenen Verträge über Bord zu werfen, einfach damit irgendwas passiere. «Diesen Weg vom Pionier-Modell einer kooperativen Stadtentwicklung zum gewöhnlichen Spekulationsobjekt werden wir nicht mitgehen. Wir sind raus.»
Bislang sollten auf dem Gelände rund 200 Wohnungen entstehen, davon mehr als 60 Prozent öffentlich geförderte Mietwohnungen und Baugemeinschaften, Gewerbe, Einzelhandel und Kiez-Clubs wie das Molotow. Zudem sollten unter anderem die Dächer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und etwa zum Verweilen, Basketball spielen oder Gärtnern genutzt werden. Laut Planbude hatten sich rund 2.300 Menschen an dem Entwurf beteiligt. Ursprünglich geplanter Fertigstellungstermin des Projekts: 2025.
Bayerische Hausbau: Ziel sei weiter, das Paloma-Viertel voranzubringen
Inzwischen heißt es auf der Homepage zu dem Projekt, dass noch in diesem Jahr die Baustelle eingerichtet werden und das Paloma-Viertel 2028 fertig sein soll. Auf Anfrage erneuerte das Unternehmen aber lediglich sein bereits bekanntes Statement: «Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen in der Immobilienwirtschaft steht die Bayerische Hausbau Development in regelmäßigem Austausch mit Politik und Verwaltung.»
Gemeinsames Ziel sei, das Paloma-Viertel voranzubringen «und wir sind gerne Teil einer für alle gang- und tragbaren Lösung». Die Bayerische Hausbau hat das Areal 2008 erworben, gebaut worden ist bislang nichts. Stattdessen hat sie das Gelände schon vor mehr als einem Jahr der städtischen Wohnungsgesellschaft Saga angedient. Die Gespräche liefen noch. «Zu den Inhalten dieser Gespräche werden wir uns zum aktuellen Zeitpunkt nicht äußern», sagte ein Unternehmenssprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Auch die Saga zeigte sich zugeknöpft. Die Realisierung öffentlich geförderten Wohnungsbaus werde weiter geprüft. «Wir bitten um Verständnis, dass wir mit Blick auf laufende Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt keine darüber hinaus gehenden Aussagen treffen», sagte ein Saga-Sprecher der dpa. Die von der Planbude kritisierte Stadtentwicklungsbehörde wollte die Angelegenheit angesichts der laufenden Gespräche nicht kommentieren.
Paloma-Viertel nicht das einzige Großprojekt mit Problemen
Das Paloma-Viertel ist nur eines von mehreren großen Bauprojekten, die teils seit Jahren nicht vorankommen. Das prominenteste dürfte dabei der Elbtower sein. Dieser soll nach den bisherigen Plänen in der Hamburger Hafencity mit 64 Stockwerken und einer Höhe von 245 Metern das dritthöchste Gebäude Deutschlands werden. Bislang sollten in dem Hochhaus unter anderem Büros, Geschäfte, Galerien, Cafés, Restaurants, ein Fitnessstudio und eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform in der 55. Etage untergebracht werden.
Der Elbtower sollte im kommenden Jahr fertiggestellt werden und rund 950 Millionen Euro kosten. Ende Oktober 2023 stellte das beauftragte Bauunternehmen jedoch bei 100 Metern Höhe die Arbeiten ein. Die Signa Gruppe des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko hatte Rechnungen nicht bezahlt. Die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG meldete im Januar Insolvenz an. Sie ist eine mittelbare Tochter der ebenfalls insolventen Signa Prime Selection AG.
Auch beim Holsten-Quartier seit Jahren Stillstand
An nicht ganz so prominenter Stelle gelegen, aber für den Wohnungsbau sehr wichtig ist das Holsten-Quartier in Altona. Dort sollen eigentlich auf dem 86.000 Quadratmeter großen Grundstück mehr als 1.200 Wohnungen, Kitas, Geschäfte, Büros und ein Handwerkerhof entstehen. Bereits 2020 sollten die ersten Gebäude stehen. Passiert ist bislang jedoch so gut wie nichts.
Das Gelände war 2016 von der Carlsberg-Brauerei ursprünglich an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft worden. Anschließend wurde es mehrfach weiterveräußert, ohne dass auf dem Areal gebaut wurde. Durch Bodenspekulationen vervielfachte sich der Preis des Grundstücks. Nach Angaben der Linken-Bürgerschaftsfraktion hätte die Stadt das Areal 2016 für rund 65 Millionen Euro kaufen können. Stattdessen stehe es nun mit 364 Millionen Euro in den Büchern der Adler Group, die das Grundstück ebenfalls verkaufen will.
Megafonchor kehrt zurück
Der Megafonchor hat bereits angekündigt, am Freitag und Samstag an den Spielbudenplatz, den «Platz der leeren Versprechungen», zurückzukehren und jeweils um 18.00 Uhr unter dem Motto «Essohäuser: Begrenzte Gesänge» auf das Baudrama hinzuweisen. Der Megafonchor hatte bereits 2014 den Abriss der Esso-Häuser musikalisch begleitet.