Es gibt Themen, bei denen sich eine klare Meinung erst nach genauerem Hinsehen bildet – so auch bei der Frage, ob Betteln im öffentlichen Nahverkehr erlaubt sein sollte, wie es DIE LINKE fordert. Mein erster Gedanke war, dass es in einem wohlhabenden Land wie Deutschland erschreckend ist, dass Menschen überhaupt auf Betteln angewiesen sind. Doch bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, dass diese Annahme so nicht haltbar ist.
Deutschland bietet ein umfassendes soziales Sicherungssystem, das allen Menschen in Not offensteht. Für Obdachlose gibt es Anlaufstellen, für Bedürftige staatliche und kirchliche Unterstützungsangebote. Niemand muss in diesem Land wirklich betteln, um zu überleben. Deshalb ist die Frage erlaubt, wer tatsächlich hinter dem Betteln in der Öffentlichkeit steht – und welche Motivation dahintersteckt.
Mein persönlicher Test in der Hamburger Innenstadt war aufschlussreich: Von 41 gezählten Bettlern machten 16 aktiv auf sich aufmerksam, indem sie sich mir buchstäblich in den Weg stellten. Besonders auffällig war dabei, dass viele zu organisierten Bettelbanden gehören, die gezielt den öffentlichen Raum für ihre Zwecke nutzen. Dieses aggressive Vorgehen stört nicht nur das Sicherheitsgefühl, sondern auch den sozialen Frieden. Es ist kein Geheimnis, dass einige dieser Banden aus Osteuropa stammen und ihre Mitglieder unter Druck setzen, um Geld einzubringen.
Solche Erlebnisse zeigen: Betteln ist nicht immer ein Ausdruck existenzieller Not, sondern oft ein organisierter Missbrauch von Mitleid. Sollten wir das auch noch in Bussen und Bahnen erlauben – in Räumen, in denen man sich dem kaum entziehen kann? Wohl kaum.
Wer wirklich helfen möchte, sollte dies strukturell tun – beispielsweise durch Spenden an Organisationen wie die Hamburger Tafel oder die Obdachlosenhilfe. Diese Hilfen kommen tatsächlich dort an, wo sie gebraucht werden, und fördern langfristige Lösungen statt kurzfristiger Symptome.
Betteln in den öffentlichen Nahverkehr zu verlagern, löst keine Probleme, sondern schafft neue. Es ist keine Lösung, sondern eine Kapitulation vor echten Herausforderungen. Hamburg sollte diesen Weg nicht gehen.
Von Sven Wolter-Rousseaux