Bewährungsstrafe für mutmaßlich antisemitische Attacke

Der 27 Jahre alten Angeklagten im Prozess um eine mutmaßlich antisemitische Attacke an der Universität Hamburg droht eine Bewährungsstrafe. (Symbolbild)
Der 27 Jahre alten Angeklagten im Prozess um eine mutmaßlich antisemitische Attacke an der Universität Hamburg droht eine Bewährungsstrafe. (Symbolbild) Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg (dpa/lno) – Im Prozess um eine mutmaßlich antisemitische Attacke während einer Veranstaltung an der Universität Hamburg ist eine 27 Jahre alte Frau zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Richterin am Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte sich der Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung sowie – in einem zweiten, mitverhandelten Fall – des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und des Widerstands schuldig gemacht habe.

Die 27-Jährige habe im Mai vergangenen Jahres im Anschluss an eine Ringvorlesung zu aktuellen Formen antijüdischer Gewalt eine 55-Jährige beleidigt und ihr ins Gesicht geschlagen. Das Opfer ist Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hamburg. Die Frau trat als Nebenklägerin auf.

Stimmung durch Nahost-Konflikt aufgeheizt 

Wenige Wochen später hatte die Angeklagte nach Überzeugung des Gerichts bei einem Polizeieinsatz in einem propalästinensischen Protestcamp nahe der Uni eine Polizistin mit einem Faustschlag ins Gesicht verletzt und einen anderen Beamten bespuckt, getreten und beleidigt. Hintergrund war die Festnahme eines Mannes, den die Angeklagte verhindern wollte. 

Die Richterin hielt in ihrer Urteilsbegründung fest, dass sich die Tat in der Uni und in dem propalästinensischen Protestcamp vor dem Hintergrund einer durch den Nahost-Konflikt aufgeheizten Stimmung ereigneten. Bei der strafrechtlichen Beurteilung gehe es aber nicht um das «Besetzen von Positionen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern», sagte sie. 

Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz besetzt, einige Zuschauer verfolgten den Prozess stehend. Viele der Unterstützer der Angeklagten trugen Palästinensertücher.

Verteidiger hält politisches Plädoyer 

Der Verteidiger der 27-Jährigen plädierte unmittelbar vor der Urteilsverkündung auf Freispruch. Dabei bemängelte er, dass seine Mandantin «medial vorverurteilt» worden sei. Zudem werde in Deutschland berechtigte Kritik am Vorgehen der Regierung Israels als Antisemitismus gebrandmarkt. Palästinenser und ihre Unterstützer würden so «mundtot» gemacht. 

Dem Opfer warf er vor, zu lügen, um eine Verurteilung seiner Mandantin zu erreichen. Dabei stützte er sich auf ein Video, auf dem Teile des Geschehens nach der Veranstaltung in der Uni zu sehen sind. «Nichts von dem, was die Zeugin hier gesagt hat, lässt sich durch das Video belegen», sagte er. Auch die Aussagen der Polizisten zum Geschehen im Protestcamp bezeichnete er als widersprüchlich. 

Die Angeklagte äußerte sich während des gesamten Verfahrens nicht. Über ihren Anwalt erklärte sie nur, dass die körperliche Auseinandersetzung mit der 55-Jährigen von dieser provoziert worden sei.

Video spielte bei Urteil zentrale Rolle

Auch die Richterin bezog sich in ihrer Urteilsbegründung auf das Video, das die Verteidigung erst kurz vor Schluss der Beweisaufnahme in das Verfahren eingebracht hatte. Es sei darauf zu hören, wie das Opfer einer anderen Person berichtete, dass die Angeklagte sie eine «hässliche Hexe» genannt habe. 

Auch sei zu sehen, wie die Angeklagte versuchte, an das Handy der 55-Jährigen zu gelangen, als diese sie filmen wollte. Zudem, wie sie dem Opfer in den Hals/Nacken-Bereich greife. Auch sei ein Geräusch zu hören, das von einem Schlag herrühren dürfte. All dies habe die 55-Jährige vor Gericht so auch ausgesagt, sagte die Richterin. 

Positiv für die Angeklagte habe sie bei der Strafzumessung unter anderem die mediale Berichterstattung gewertet, sagte die Richterin. Negativ die lange anhaltende psychologische Belastung des Tatopfers und den Umstand, dass bei der Angeklagten «die Hemmschwelle für das Versetzen eines Faustschlags ziemlich niedrig ist». 

Mit ihrem Urteil entsprach die Richterin der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft.