
Kiel (dpa/lno) – Europa muss nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zum Anführer der freien Welt werden. Deutschland misst er dabei eine Führungsrolle zu. «Union und SPD haben unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg durch die Jahrzehnte geführt. Jetzt haben sie die historische Aufgabe, unser Land in vier Jahren verteidigungsbereit und Europa zum Anführer der freien Welt zu machen», erklärte Günther nach dem Abbruch eines Treffens von US-Präsident Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Jedem müsse jetzt klar sein, dass Europa selbst für seine Sicherheit sorgen und der starke Partner der Ukraine sein müsse. Deshalb müssten die Koalitionsverhandlungen in Berlin schnell zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.
Auch müsse die Infrastruktur in Ordnung gebracht und für echten Zusammenhalt in Deutschland gesorgt werden. «Eine große Aufgabe, aber zu schaffen, wenn jetzt für alle die Zukunft unseres Landes in Frieden und Freiheit Vorrang hat», so Günther.
Der CDU-Politiker verwies auf die Regionalpartnerschaft Schleswig-Holsteins mit dem ukrainischen Cherson. «Die Ukraine kämpft gegen den russischen Aggressor für das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung, aber zugleich auch für unsere Freiheit und Demokratie in Europa», betonte Günther. «Deshalb stehen wir unverrückbar an der Seite unserer ukrainischen Freundinnen und Freunde.»
Politologe sieht USA als Partner verloren
Auch der Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause sieht die USA als Partner verloren. «Die westliche Führungsmacht USA ist von der Fahne gegangen. Das muss man mal ganz deutlich sagen. Sie ist nicht mehr Teil der westlichen Gemeinschaft, der Gemeinschaft westlicher Demokratien», sagte Krause der Deutschen Presse-Agentur. Nicht zuletzt, weil Trump und sein Vize J.D. Vance völlig andere Vorstellungen davon hätten, was eine Demokratie ist.
«Wir müssten versuchen, die Amerikaner zu ersetzen. Ich glaube auch nicht, dass es viel Sinn macht, noch groß in Washington zu betteln», sagte der ehemalige Direktor am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK). Aus seiner Sicht ist eine Entscheidung in den USA gefallen. «Es wird keine große Militärhilfe mehr geben und entscheidend ist vielleicht auch noch, ob die amerikanische Regierung das Starlink-System abschaltet», sagte Krause.
Krause: Entschuldigung würde nicht viel bewirken
Eine Entschuldigung von Selenskyj an Trump, die der ukrainische Präsident ablehnt, werde die schwierige Beziehung mutmaßlich nicht retten, sagte Krause. «Ich befürchte, es wird nicht viel nutzen, wenn Selenskyj jetzt zu Kreuze kriecht.» Die Situation sei zu verfahren. Trump und Vance «präferieren, mit Russland normale Beziehungen zu haben, angeblich, damit man im Energiesektor besser miteinander kooperieren kann».
Krause geht davon aus, dass Europa die Ukraine viel stärker unterstützen muss. Die Europäer müssten auch stärker Druck auf die Ukraine ausüben, jüngere Jahrgänge einzuziehen. «Denn das Problem der schlechten Ausstattung mit Mannschaften der Ukraine ist ein selbstgemachtes Problem, weil sich Selenskyj weigert, junge Männer einzustellen in den Wehrdienst, in den Kriegsdienst, die jünger sind als 27», sagte Krause.
Für den Ukraine-Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in London am Sonntag sieht er zwei mögliche Szenarien: «Vermutlich werden Franzosen, Briten und andere versuchen zu sagen: „Gut, wir können noch mal schauen, was wir mit den Amerikanern irgendwie noch hinkriegen.“ Aber es kann auch durchaus sein, dass man sagt, dass diejenigen Stimmen überwiegen, die sagen: „Vergesst die Amerikaner, wir müssen sehen, dass wir das Problem der Ukraine alleine lösen, und zwar mit eigener Kraft und in Initiativen.»