Hamburg (dpa/lno) – Für manche ist das Buch «Ein Sommer in Sommerby» der preisgekrönten Hamburger Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie so etwas wie das deutsche Pendant zu Astrid Lindgrens «Bullerbü». Das mag daran liegen, dass hier drei Großstadtkinder – die vom Vater zu ihrer Großmutter geschickt werden, als ihre Mutter krank wird – damit zunächst gewaltig fremdeln, denn die Oma ist schroff, das Haus an der Schlei abgelegen. Doch dann erleben sie dort eine Menge Abenteuer. Nun wird das erfolgreiche Buch verfilmt. Und zwar im Norden Deutschlands. Bei hochsommerlichem Wetter drehte das Team um Regisseurin Mara Eibl-Eibesfeldt und Drehbuchautorin Catharina Junk am Großensee nordöstlich von Hamburg.
Bei den Dreharbeiten in Schleswig-Holstein – am Großensee sowie an der Schlei – war auch Autorin Kirsten Boie dabei. Ein deutsches Bullerbü habe ihr gar nicht vorgeschwebt, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. «Ich bin in so einer Gegend darauf gekommen in der Nähe der Schlei. Dann habe ich überlegt, was möchte ich erzählen, wie sollen die Figuren aussehen und dann habe ich den ersten Band geschrieben und gedacht, das war es nun.» Doch dann hätten viele Leserinnen und Leser geschrieben und gefragt, ob es nicht noch weitergehen könne. Und so sind noch drei Folgebücher entstanden. «Das war ein Geschenk.»
Großstädter auf der Suche nach dem idealisierten Landleben
Wenn Menschen darin eine Kritik an Großstädtern auf der Suche nach dem idealisierten Landleben sehen, stört es sie nicht, das sei aber nicht das Wichtigste. «Ich glaube, dass wir alle, so wie wir leben, ein Bedürfnis haben nach einer Welt wie Sommerby.» Viel wichtiger ist die Entwicklung, die die Kinder vornehmen. «Das ist eine vollkommen andere Welt als die, die sie bisher kennen. Was die fehlenden Medien betrifft, da sind sie ja in der Lage, sich Alternativen zu schaffen, aber sie haben ihre Freunde, ihre Spielsachen nicht und müssen zurechtkommen mit dem, was es da gibt. Aber sie können das und stellen fest: Mensch, das ist gar nicht so schlecht.»
Der Dreh hat die Autorin regelrecht begeistert. Auch die Tatsache, dass mit zwei Kameras gearbeitet wurde, um viele unterschiedliche Aufnahmen zu sammeln. Findet sie ihre Figuren gut getroffen? «So gehe ich da überhaupt nicht ran. Ich bin da sehr offen. Die Spielenden müssen zu der Rolle passen. Hier habe ich das Gefühl, dass das alles einfach stimmt.» Richtig beeindruckt zeigt sie sich von der Disziplin der Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren.
Für die Darsteller ist ein Leben ohne digitale Medien schwer vorzustellen
Die Rolle der ältesten Tochter Martha spielt die zwölfjährige Lotta Herzog. «Martha ist eine interessante Rolle, weil sie im Laufe des Films eine tolle Entwicklung durchmacht», erzählt Lotta Herzog. «Zuerst ist sie ein Stadtkind und findet alles ist blöd bei der Oma bis sie sagt, sie mag die Oma doch ganz gerne und möchte doch länger bleiben. Sie muss erst einmal verstehen, warum die Oma so lebt.»
Gerade als junge Heranwachsende ist Martha auf sich selbst zurückgeworfen. «Sie möchte immer erwachsener sein als sie ist. Wenn jemand sagt, dass sie für etwas noch zu jung sei, sagt sie nein, bin ich nicht. Das ist ihr wahnsinnig wichtig.» Für Lotta Herzog ist das Leben ohne digitale Medien dagegen schwer vorstellbar. Schon weil die junge Schauspielerin, die mit Kindertheater angefangen hat und im Alter von acht Jahren ihren ersten Film drehte, darüber natürlich auch Schulstoff nachholt. «Ich mag an der Arbeit beim Film, dass man an tolle neue Orte kommt und viele neue Leute kennenlernt.»
Norddeutsche Johanna Gastdorf spielt Oma Inge
Marthas wichtigste Bezugsperson wird die von Johanna Gastdorf gespielte Oma Inge, die mit ihren Haustieren allein im hohen Norden lebt, der Kontakt zu ihrer Tochter ist abgebrochen. Für die Schauspielerin ein Glücksfall: «Ich komme ja aus Norddeutschland und lebe wahnsinnig lange nicht mehr dort. Aber wenn ich zurück bin, geht mein Herz auf. Ich glaube, die Geschichte braucht auch eine Person aus Norddeutschland», sagt sie.
Sie schätzt das Buch und hat Freude am Dreh. «Oma Inge ist sehr komplex. Auf den ersten Blick ist sie eine verknatterte Alte. Aber dann bekommt man mit, dass da ein Leben gelebt wurde, wo jemand gekämpft hat, seinen Standpunkt verteidigt hat», erläutert Johanna Gastdorf. «Sie ist sehr traurig, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter hat, aber sie konnte nicht anders entscheiden, weil sie sich für ihre Heimat und ihr Haus entschieden hat. Das Schöne ist, dass die Kinder auch das Lustige und das Liebevolle hervorkratzen.»
2025 in der ARD
An den Drehort im Kreis Stormarn hat Gastdorf viele Erinnerungen: «Ich bin schon als Kind im Großensee schwimmen gegangen, daher kannte ich sogar die Badestellen. Das Grundstück ist wunderschön. Wir konnten da ganz viele verschiedene Szenen an einem Ort drehen. Das Wetter war unglaublich, ein riesiges Geschenk. Wir konnten einen wirklichen Sommer erzählen.» «Ein Sommer in Sommerby» wird 2025 den Angaben zufolge im TV-Programm der ARD zu sehen sein.