Elmshorn/Lüneburg (dpa) – Nur noch wenige Tage, dann lebt die Elmshornerin Ines Kock wieder mit der alten Bartagame Burny allein in ihrer Wohnung unter dem Dachgeschoss. Noch aber teilen sich die beiden das Schlafzimmer mit drei Fledermäusen. Die 51-Jährige aus dem Kreis Pinneberg hilft seit zehn Jahren kleinen und größeren Fledermäusen in Not. In ihrem abgedunkelten Schlafzimmer päppelt sie sie wieder auf, füttert sie, gibt ihnen Wasser und beobachtet ihre Fortschritte. «Sobald sie wieder ihr Normalgewicht haben und gut fliegen können, wildern wir sie wieder aus», sagte die Altenpflegerin mit dem großen Herzen für hilflose Tiere. Auch Burny rettete sie aus schlechter Haltung.
Derzeit leben in einem mannshohen, weißen Mückenschutzzelt zwei Zwergfledermäuse und in einem Terrarium eine Breitflügelfledermaus. Die Tiere kommen aus der nahegelegenen Wildtierstation in Klein Offenseth-Sparrieshoop. Meist wurden die Fledermäuse dort zuvor von besorgten Menschen abgegeben.
Manche der fliegenden Säugetiere sind verletzt, andere abgemagert oder dehydriert. «Wenn es sehr heiß ist, fehlt oft nur ein bisschen Wasser und dann fliegen sie am Abend schon weiter», weiß die Elmshornerin. Aber wann braucht eine Fledermaus Hilfe? «Das ist einfach: Wenn Sie tagsüber eine Fledermaus irgendwo hängen oder liegen sehen, braucht sie in der Regel immer Hilfe», erklärte Kock. Fledermäuse können bis zu 20 Jahre alt werden.
Zehn bis 20 Tiere päppelt sie ehrenamtlich zwischen Frühjahr und Herbst in ihrer Wohnung auf. Rund 250 bis 300 Euro im Monat gibt sie in stark belegten Monaten dafür aus – das meiste davon für Futter. Die Fledermäuse bekommen Mehlwürmer, Heimchen und wenn sie noch ganz entkräftet sind auch eine Mehlwurm-Katzenmilch-Kombination. «Das läppert sich schon.» Sie hoffe deshalb stets auf Sach- und Geldspenden. Auch auf der Social-Media-Plattform Tiktok erzählt sie von ihren Erfahrungen.
Für den Biologen und Fledermaus-Experten Florian Gloza-Rausch ist diese Unterstützung für die Tiere ein schmaler Grat. «Allein nur das Aufziehen von Einzeltieren macht populationsökologisch – also rein wissenschaftlich betrachtet – nicht so viel Sinn. Aber der Fledermausschutz lebt auch von einer guten Öffentlichkeit.» Und dafür sei dieses Engagement von Tierschützern gut. Wichtig sei dabei allerdings auch, dass die Tierliebe keine Blüten schlage. Wenn Transfusionen und überlange Transportwege ins Spiel kämen, höre die Verhältnismäßigkeit auf.
Das sieht Kock auch so und achtet deshalb sehr genau darauf, dass die in der Region gefundenen Tiere so artgerecht wie möglich bei ihr untergebracht sind. «Das sind ganz klassische Wildtiere und das sollen sie auch bleiben. Ich habe hier zu ihnen so wenig menschlichen Kontakt wie möglich.»
Norddeutschland mit den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sei ein bedeutender und wertvoller Fledermauslebensraum, sagte Gloza-Rausch, der auch Vorstand des Bundesverbandes Fledermauskunde und der Deutschen Fledermauswarte ist. «Aufgrund der naturräumlichen Ausstattung Norddeutschlands mit den umfangreichen Seenlandschaften, bedeutenden Fließgewässersystemen, Heiden, Mooren, Buchen- und Eichenwäldern und dem zunehmenden Anteil ökologisch bewirtschafteter landwirtschaftlicher Flächen sind hier Fledermausarten wie beispielsweise die Breitflügelfledermaus, Abendsegler und Kleinabendsegler, Teichfledermaus, Wasserfledermaus, Fransenfledermaus, Rauhaut- und Mückenfledermaus zu Hause.»
In der Kalkberghöhle in Bad Segeberg beispielsweise überwinterten seit Jahren weitgehend zwischen 30.000 und 35.000 Fledermäuse, sagte der Fledermausreferent des Naturschutzbundes Nabu Schleswig-Holstein, Stefan Lüders. Sechs bis sieben mausohrartige Fledermausarten gehören zum Hauptkontingent in diesem Winterquartier – eines der größten in Europa. In Schleswig-Holstein gibt es 15 der 23 in Deutschland bekannten Fledermausarten. Europaweit gibt es nach Angaben des Nabu 30 Arten.
Zu viel Licht, zu viel Bebauung und Windkraftanlagen stellen die kleinen Säugetiere aber vor Herausforderungen. Es gebe bei einigen Fledermausarten aber positive Entwicklungen in der Populationsentwicklung, sagte Gloza-Rausch weiter. «Beispielsweise sind die Populationen von Zwerg- und Mückenfledermäusen vergleichsweise stabil auf teilweise hohem Niveau. Arten wie das Große Mausohr, die in der Vergangenheit durch den Einsatz giftiger Holzschutzmittel starke Populationseinbrüche erlitten haben, erholen sich gut.»
Die beiden Zwergfledermäuse im Mückenschutzzelt von Kock sollen nun wieder ausgewildert werden. In ein bis zwei Wochen soll die Breitflügelfledermaus folgen. «Dazu fahre ich mit meiner Tochter in die Nähe von alten Bauernhöfen und hohen Bäumen. Ich nehme sie vorsichtig auf die Hand. Sie schnuppern kurz und schwupp sind sie weg.»