Hamburg (dpa/lno) – Das Kohleheizkraftwerk Wedel wird die Fernwärmekunden im Hamburger Westen noch länger mit Wärme versorgen müssen als geplant. Grund sind Verzögerungen beim Bau des neuen Energieparks Hafen auf der Dradenau, der das in die Jahre gekommene Kraftwerk kurz hinter der Landesgrenze in Schleswig-Holstein eigentlich bereits Ende 2025 ablösen und in den Reservebetrieb schicken sollte, wie Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung der Hamburger Energiewerke, der Deutschen Presse-Agentur sagte. «Wir haben Bauverzögerungen von zurzeit vier Monaten. Aber der Zeitplan, Ende 2025 mit der Inbetriebnahme zu starten, steht.»
Eine Übernahme der Wärmeversorgung durch den Energiepark in der dann bereits laufenden Heizperiode 2025/2026 sei aufgrund der Bauverzögerungen aber nicht mehr möglich, da zunächst der störungsfreie Betrieb der neuen, hocheffizienten Anlage sichergestellt sein müsse. «Im Anschluss werden wir mit dem Kraftwerk Wedel dann in die Reserve gehen können.»
Wedel geht erst nach Heizperiode 2025/2026 in Reserve
Der Reservebetrieb sei nötig, um im Falle von Nachjustierungen im Energiepark die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. «Eine Außerbetriebnahme Wedels kann erst erfolgen, wenn im Energiepark Hafen alles verlässlich läuft», sagt Heine. Wann genau das Kohleheizkraftwerk ganz abgeschaltet werden kann, lasse sich noch nicht sagen.
Bislang hatte der Senat das Frühjahr 2026 in Aussicht gestellt. Bis 2030 will Hamburg den Kohleausstieg bei der Wärmeversorgung schaffen. Bis dahin soll auch das Heizkraftwerk Tiefstack im Hamburger Osten abgelöst sein.
Energiepark Hafen ist Herzstück der Hamburger Wärmewende
Der Energiepark Hafen, der verschiedene Wärmequellen zusammenführt, ist das Herzstück der Wärmewende. Genutzt wird Abwärme aus nahegelegenen Industriebetrieben, der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm und der Abwasserverwertung des Klärwerks Dradenau. Gespeichert werden soll die Wärme in einem 50 Meter hohen Thermotank mit 98 Grad heißem Wasser. Eine hocheffiziente Gas- und Dampfturbinen-Anlage (GuD) soll bei Bedarf zusätzliche Wärme und mittels Kraft-Wärme-Kopplung auch Strom erzeugen. 55 Prozent der Fernwärme sollen so künftig aus klimaneutralen Quellen kommen.
«Dieses Projekt Energiepark Hafen hat eine durchaus große Komplexität», sagt Heine. «Es arbeiten hier unglaublich viele Gewerke zeitgleich. Und in der Orchestrierung all dieser Baumaßnahmen liegt die Verzögerung begründet.» An der Fertigstellung werde mit Hochdruck gearbeitet. «Wir bauen hier im Mehrschichtbetrieb und versuchen, das eine oder andere an Zeit noch gutzumachen, sodass Wedel nach der Heizperiode 2025/2026 in die Reserve geht.»
Krisen und Inflation lassen Kosten auch für Energiepark steigen
Krisenbedingte Lieferkettenstörungen und Inflation hätten auch die Kosten für das ehrgeizige Projekt steigen lassen. Allein für die KWK-Anlage auf der Dradenau seien ursprünglich 600 Millionen Euro veranschlagt gewesen. «In diesem Kostenblock ist bereits eine sehr hohe Risikovorsorge enthalten. Die ist aber bereits aufgezehrt – bedingt durch Ukrainekrise und Inflation, die sowohl zu höheren Personalkosten, aber auch zu höheren Materialkosten im Bereich Stahl geführt haben.» Bis 2028 will Hamburg alles in allem rund 2,85 Milliarden Euro in die Wärmewende investieren.
Der Baufortschritt auf der Dradenau lässt sich nach 28 Monaten deutlich sehen – vor allem, wenn man auf der Autobahn von Süden in den Elbtunnel fährt: Am auffälligsten ist der braun-rostige Wärmespeicher, der dort 50 Meter in die Höhe ragt – inzwischen fast ganz voll mit vollentsalztem Wasser. «Zur Zeit ist er mit rund 47.000 Kubikmetern befüllt», sagt der Planungsleiter der Anlage, Andreas Buchheim. «Aus einem einfachen Grund: Bevor man anfängt, den Tank zu isolieren, will man sicherstellen, dass die Schweißnähte dicht sind. Und er ist dicht.» Komplett befüllt mit 50 Millionen Liter Wasser könne er 2000 Megawattstunden Wärmearbeitsmenge speichern.
Großer Wärmespeicher wird isoliert – Schluss mit rostiger Dose
Inzwischen haben die Isolierarbeiten an dem Turm begonnen. «Bis Ende des Jahres wird er eine Hülle haben und später auch in der unteren Hälfte begrünt werden», sagt Buchheim. In der Presse sei der Speicher bereits als rostige Dose an der Autobahn bezeichnet worden. «Damit ist dann Schluss.»
Neben dem Tank wachsen auch die Betriebsgebäude in die Höhe, gegründet auf 1.600 über 17 Meter langen Pfählen, die zuerst in den Boden gebracht worden waren. «Die Fernwärmeleitungen zum Anschluss des Energieparks liegen schon auf dem Gelände. Wir haben allein hier schon 1,2 Kilometer Leitungen verbuddelt, damit wir jetzt die Flächen überbauen können», sagt der Projektleiter.
Mehr als 20.000 Kubikmeter Beton wurden schon verbaut und knapp 1500 Tonnen Baustahl montiert – bis zu 400 Tonnen kommen seinen Angaben zufolge in nächster Zeit pro Woche hinzu. In der Maschinenhalle stehen bereits die beiden großen Gasturbinen und ein Dampferzeuger.
Rund ein Drittel des neuen Fernwärme-Elbtunnels fertig
Um die Wärme aus dem Energiepark im Hafen in das Fernwärmenetz am nördlichen Elbufer zu bringen, bohrt sich bereits seit November vergangenen Jahres «Hermine» durch den schlammigen Untergrund. «Hermine» steht für «Hamburger Energiewerke Röhre Mit Neuer Energie». Inzwischen befinde sich die Tunnelbohrmaschine bei Tunnelmeter 380. «Das ist kurz hinter Seemannshöft», sagt Projektleiter Dirk Lassen-Petersen. «Wir haben den Köhlfleet-Hafen und die Tankschiffbrücke schon unterquert, sind etwa anderthalb Meter unter den Pfählen der Brücke durchgefahren.»
Damit sei in Drittel der Strecke geschafft und der Tiefpunkt der Tunnelbohrung überwunden. «Ab jetzt fahren wir aufwärts», sagte er. «Und jetzt haben wir freie Fahrt, denn zumindest von oben gibt es keine Hindernisse mehr.»
Ziel der Bohrung ist der Hindenburgpark in Othmarschen. «Momentan schafft Hermine etwa acht bis zehn Meter am Tag. Ende dieses Jahres sind wir hier», sagt Lasse-Petersen auf der Baustelle an der Elbchaussee, wo ein 34 Meter tiefer Zielschacht mit 13 Meter Durchmesser in den Elbhang gegraben wurde. «Für die beiden Leitungen bräuchten wir keinen so großen Schacht. Aber die Tunnelbohrmaschine muss hier durch, weil die nicht rückwärtsfahren kann.»
Ist der Energiepark einmal angeschlossen, soll auch der Zielschacht im Hindenburgpark unsichtbar werden, verspricht er. «Da kommt am Ende ein Deckel drauf und diese ganzen Sandhaufen, das alles kommt weg. Dann werden wir Mutterboden auftragen und den Park wiederherrichten – und dann ist alles wieder schick.»