Verfassungsgericht prüft schwarz-grünen Haushalt

Der Präsident des Landesverfassungsgericht und die anderen Richterinnen und Richter prüfen die Notkredit-Praxis des Landes.
Der Präsident des Landesverfassungsgericht und die anderen Richterinnen und Richter prüfen die Notkredit-Praxis des Landes. Foto: Frank Molter/dpa

Schleswig (dpa/lno) – Unter welchen Voraussetzungen darf der Landtag Notkredite nutzen, wie genau muss er die Tilgung planen und wo liegen Grenzen – mit dieser Frage beschäftigt sich aktuell das Landesverfassungsgericht. Verhandelt wurde über eine Normenkontrollklage von SPD und FDP gegen den Haushalt 2024, der unter anderem mit gleich drei Notkrediten finanziert wurde. SPD und FDP sehen alle drei Notkredite als verfassungswidrig an. Entscheiden will das Gericht über die Frage im April.

Zwar gebe es bereits vier Entscheidungen anderer Verfassungsgerichte zu Notkrediten, sagte der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Christoph Brüning. Diese seien für den Fall in Schleswig-Holstein aber bedeutungslos.

«Es spricht vieles dafür, dass das Gericht die haushalterischen Auswirkungen nicht besser wissen kann als der Landtag», sagte Brüning. Die Entscheidung des Gerichts werde möglicherweise Auswirkungen auf folgende Haushalte haben. Bei der Prüfung geht es laut Brüning auch um die Frage eines Tilgungsplans.

Praxis verfassungswidrig?

Der Verfahrensbevollmächtigte von SPD und FDP, Simon Kempny, betonte in der Verhandlung, die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit von Notkrediten beschränke sich auf plötzliche, akute und unvorhergesehene Lagen. Auf dauerhafte, wenn auch missliche Lagen, müsse die Politik anders reagieren, selbst wenn sich diese zur «neuen Normallage» entwickelten.

«Mit Schulden kauft man sich Zeit», sagte Kempny. «Am Ende müssen es immer die Steuerzahler finanzieren.» Die Politik müsse sich beschränken. «Politik ist eben kein Wünsch-Dir-Was.»

Der Bevollmächtigte des Landtags, Florian Becker, verwies auf Unterschiede bei der Schuldenbremse zwischen Bundes- und Landesebene. «Wir verhandeln hier heute nicht mehr und nicht weniger als über die Handlungsfähigkeit des Staates in der Krise.» Die Finanzmittel des Landes seien in viel stärkerem Maße festgelegt. «Das Land kann nicht bei einer Krise einfach mal Beamte entlassen.» 

«Hier ist also deutlich weniger Flexibilität im Haushalt in einer Notlagensituation», sagte Becker. Der Landtag habe in völlig vertretbarer Weise Notlagen angeführt. Diese müssten zusammen betrachtet werden. «Kein Geld der Welt kann eine Sturmflut verhindern oder beseitigen.»

Sachzusammenhänge

2024 hatten CDU und Grüne die Notkredite mit den Kriegsfolgen, der Corona-Pandemie und der Ostseesturmflut im Oktober 2023 begründet. Rechnungshof-Präsidentin Gaby Schäfer sagte, während das Land 2023 nur 84 Millionen Euro im Zusammenhang mit Corona begründet habe, seien es für 2024 plötzlich 573 Millionen Euro gewesen. Dabei habe die Pandemie 2024 weiter zurückgelegen.

Die Richter beschäftigten sich nicht nur mit der Frage, auf welcher Grundlage die Abgeordneten den Haushalt beschlossen, sondern auch mit den Gründen, mit denen die Notkredite aufgenommen wurden. 

Die Ausgaben aus dem Sturmflut-Notkredit für Deichanlagen beispielsweise seien nachzuvollziehen, sagte Brüning. Das gelte auch für ein Schulprogramm zum Aufholen nach Corona. Schwieriger es dagegen bei Investition in den öffentlichen Nahverkehr oder in Radwege, die ebenfalls mit der Pandemie in Verbindung gebracht wurden – da sei der Zusammenhang möglicherweise nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar. Mit Notkreditmitteln finanzierte Schwarz-Grün beispielsweise auch Investitionen in Schweineställe.

Für SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli hat die Verhandlung die Bedeutung der Klage unterstrichen. «Der verfassungsgemäße Umgang mit Notkrediten muss selbstverständlich durch eine Landesregierung gewährleistet sein.» Auch der fehlende Tilgungsplan bleibe ein schwerer handwerklicher Fehler, der beim Haushalt 2025 fortgesetzt worden sei.

Ähnlich sah es der FDP-Innenpolitiker Bernd Buchholz. Das Gericht sei sehr kritisch gegenüber der Landesregierung und der Mehrheit im Landtag gewesen. «All die Fragen, die wir mit der Antragsschrift verfolgt haben, wo wir gesagt haben, das halten wir für verfassungswidrig, sind vom Senat in derselben Art und Weise komplett kritisiert beziehungsweise hinterfragt worden.» 

Das gehe vom Bestand einer Corona-Notlage über die Gründe für den Ukraine-Kredit bis zur Frage, ob überhaupt ein wirksamer Tilgungsplan vorlag. «Die Antworten, die da teilweise gegeben worden sind, scheinen auch nicht unbedingt die Richter vollumfänglich überzeugt zu haben.»

Für FDP-Fraktionschef Christopher Vogt steht fest, dass die Koalition diese Dinge aus dem normalen Haushalt habe raushalten wollen. «Damit man nicht sparen muss.»

Schuldenberg

Nach Darstellung von Finanzstaatssekretär Oliver Rabe war es dem Land nicht möglich, die zusätzlichen Kosten aus den drei Notlagen aus dem normalen Haushalt zu bewältigen. Der Schuldenberg des Landes beläuft sich auf rund 32 Milliarden Euro.

Zwar ist das Haushaltsjahr 2024 längst vorbei, Schwarz-Grün arbeitet aber weiter mit einem Notkredit. Der Etat des laufenden Jahres enthält einen Notkredit in Höhe von 272 Millionen Euro – dieses Mal nur begründet mit den Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.

Laut vorläufigem Haushaltsabschluss finanzierte Schleswig-Holstein 2024 effektiv 493,8 Millionen Euro über die Notkredite. Ursprünglich hatte der Landtag die Regierung sogar zur Aufnahme von Notkrediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro ermächtigt, diese Summe im Oktober per Nachtragshaushalt aber auf 1,2 Milliarden Euro reduziert.

Verfassungsgerichts-Präsident Brüning kündigte an, das Gericht werde seine Entscheidung am 8. oder 15. April verkünden.