Hamburg (dpa) – Es sollte eigentlich ein schöner Besuch bei einem Freund in Hamburg werden. Doch wenig später liegt ein 35-Jähriger aus der Nähe von Hannover blutüberströmt in der Wohnung seines Gastgebers, der Körper ist übersät von Messerstichen. Der Mann überlebt dank einer Not-OP, der Freund wird festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Mord, versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Wie konnte es zu der Tat kommen? Das versucht nun das Landgericht Hamburg herauszufinden.
«Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas machen könnte»
Am ersten Prozesstag äußerte sich der Angeklagte. «Er ist wirklich mein allerbester Freund», sagte der 33-Jährige nach Angaben einer Dolmetscherin über das Opfer. «Er ist wie ein Bruder für mich.» Es habe keinerlei Probleme zwischen den beiden gegeben. «Ich bin selbst so schockiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas machen könnte.»
Die beiden Männer sollen am 20. April dieses Jahres gemeinsam auf einem Sofa in der Wohnung des Angeklagten im Stadtteil Wilhelmsburg gesessen haben. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft fragte der 33-Jährige seinen Freund nach der Uhrzeit. Als dieser sich daraufhin abwandte, um nach seinem Mobiltelefon zu greifen, habe der Mann ihn von hinten am Hals gepackt und mit einem Messer zugestochen.
Schnittverletzungen am ganzen Körper
Dabei wurden den Angaben zufolge der linke Lungenlappen, der Herzbeutel, der Magen und das Zwerchfell des Opfers schwer verletzt. Anschließend habe der Angreifer seinem Freund mindestens 15 weitere Stich- und Schnittverletzungen im Gesicht, an den Armen und Händen zugefügt.
Nachdem das Opfer das Messer ergreifen und wegwerfen konnte, soll der Angeklagte seinen Freund gewürgt und ihm wuchtig in das Gesicht geschlagen haben. Bei der Auseinandersetzung sei der mutmaßliche Täter mit dem Kopf gegen den Couchtisch gestoßen und habe das Bewusstsein verloren, sagte die Staatsanwältin bei der Anklageverlesung.
Als der 33-Jährige in der Nacht wieder zu sich kam, habe er wieder versucht, sein bereits stark blutendes Opfer zu töten, indem er es würgte. Wieder wehrte sich der 35-Jährige. Es gelang ihm laut Staatsanwaltschaft, einen Teller auf den Kopf des Angeklagten zu schlagen. Daraufhin habe der Angreifer wieder das Bewusstsein verloren und das schwer verletzte Opfer konnte aus der Wohnung flüchten.
Angeklagter fühlte sich beobachtet
Der Angeklagte berichtete vor dem Landgericht, er habe nach seiner Ehe, die nur wenige Monate hielt, jeden Tag zwei Gramm Marihuana konsumiert. Es sei ihm schon ein paar Tage vor dem Besuch des Freundes psychisch sehr schlecht gegangen, er habe Wahnvorstellungen gehabt.
«Ich hatte immer das Gefühl, ich werde beobachtet», sagte er. Kurz vor der Tat hätten die beiden Männer zusammen einen Joint geraucht. «Ich habe so viele Gedanken in meinen Kopf bekommen.» Erst habe er befürchtet, der Weltuntergang stehe bevor, dann habe er sich selbst als Prophet gesehen. An die Attacke auf den Freund habe er keine Erinnerung.
Opfer wohnt in der Nähe von Hannover
Der Angeklagte wurde laut Staatsanwaltschaft in Syrien geboren, ist aber staatenlos. Nach seiner Aussage sind er und das Opfer beide Palästinenser. Kennengelernt hätten sie sich vor neun Jahren in Hamburg über Freunde, erklärte der 33-Jährige. Der Freund sei nach dessen Heirat in die Nähe von Hannover gezogen. Man habe sich trotzdem regelmäßig gesehen.
Das Landgericht hat für den Prozess sieben weitere Termine angesetzt. Das Verfahren wird am 28. Oktober fortsetzt. Mitte November soll dann das Opfer aussagen.