Hamburg (dpa/lno) – Im März 1992 wird in Hamburg-Horn ein Blumenhändler in seiner Wohnung getötet – mehr als 32 Jahre später steht der mutmaßliche Täter vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft einem 53-Jährigen Mord aus Habgier vor. Die Verteidigerin des Rumänen erklärt vor der Strafkammer am Landgericht, ihr Mandant bestreite den Vorwurf, werde sich vorerst aber nicht äußern.
Der Angeklagte soll damals zusammen mit einem 60-Jährigen in dessen Wohnung im Stadtteil Horn Alkohol getrunken haben. Während einer Auseinandersetzung habe er dem Mann mehrfach mit einer Rumflasche auf den Kopf geschlagen. Dabei erlitt dieser einen Schädelbasisbruch. Der Angeklagte habe den 60-Jährigen dann mit einem zerrissenen Bettlaken im Schlafzimmer gefesselt und mit einem Stoffstück geknebelt. Mit einem Bettlaken soll er ihn schließlich erdrosselt haben. Mit den Tageseinnahmen des Blumenhändlers habe der Angeklagte die Wohnung verlassen. Die Beute soll 1500 bis 2000 D-Mark betragen haben.
Trotz intensiver Ermittlungen konnte die Tat damals zunächst nicht aufgeklärt werden. In den folgenden Jahren wurden die gesicherten Spuren mehrmals erneut kriminaltechnisch untersucht, wie die Polizei im Herbst 2023 mitgeteilt hatte.
DNA-Treffer im Ausland
Nach Angaben einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft hatte es im Mai 2023 eine DNA-Treffermeldung aus Italien gegeben. Ein europäischer Haftbefehl sei ausgestellt worden. Der Mann konnte den Angaben zufolge schließlich im vergangenen Oktober in Großbritannien festgenommen werden. Nach Angaben der Vorsitzenden Richterin, Birgit Woitas, soll er in Italien wegen Diebstahls und anderer Delikte verurteilt worden sein, aber nicht wegen einer Gewalttat.
Es sei kein gewöhnlicher Prozess, es gehe um einen sogenannten Cold Case, erklärte die Verteidigerin Alexandra Elek – also um neue Ermittlungen in einem noch ungeklärten Kriminalfall. Der Blumenhändler sei homosexuell gewesen und habe häufig Besuch von jungen Männern gehabt. Auch ihr Mandant sei in der Wohnung gewesen. Es gebe jedoch keinerlei Beweise dafür, dass er den 60-Jährigen getötet habe. Ein Mord aus Habgier werde sich nicht beweisen lassen. Ein Totschlag verjährt nach 20 Jahren, ein Mord nie.
In einer Stellungnahme nach der Verhandlung, kritisierte die Anwältin, der Fall werde von der Polizei so dargestellt, als wenn er aufgeklärt wäre. «Das ist gerade nicht der Fall», betonte Elek. Das Einzige, das die Staatsanwaltschaft habe, seien DNA-Spuren ihres Mandanten aus der Wohnung, die für seine Anwesenheit sprächen. Dabei gehe es aber nicht um Spuren an der Tatwaffe, sondern um solche an Gläsern und am Opfer. «Es gab einen Sexualkontakt», erklärte die Verteidigerin. Die Anklage sei hochspekulativ. Nur weil die Tageseinnahmen des Blumenhändlers nicht gefunden wurden, sei das Mordmerkmal der Habgier konstruiert worden.
Viele Zeugen tot oder dement
Die Strafkammer erwartet eine schwierige Beweisaufnahme. Der Angeklagte bekam zum Prozessauftakt eine zweite Verteidigerin. Richterin Woitas wies darauf hin, dass viele Zeugen schon tot seien und andere dement. «Es bleibt ein sehr kleiner Teil der Zeugen übrig», sagte die Richterin. Der erste Zeuge, der vernommen wurde, war ein pensionierter Mordkommissar, der 1992 an den Ermittlungen beteiligt war. Der 74-Jährige erklärte, er könne sich an den Fall nicht erinnern.
Ein ehemaliger Bewohner des Hauses, in dem der Mord geschah, hatte dagegen noch ein Erlebnis aus der Tatnacht im Gedächtnis. Er sei damals als Student nach Mitternacht von einem Club-Besuch nach Hause gekommen, sagte der Zeuge. Als er die Haustür aufschloss, habe er ein Gestampfe und Gepolter gehört. «Im Nachhinein betrachtet, war es vermutlich ein Kampfgeschehen», sagte der 56-Jährige.
Der Blumenhändler sei sehr freundlich gewesen. «Es war ein offenes Geheimnis, dass er homophile Neigungen hatte», sagte der Zeuge. Der Nachbar habe abends häufig Besuch von Männern gehabt. Nach seiner Erinnerung habe der 60-Jährige einen Blumenstand am Hauptbahnhof und ein weiteres Geschäft gehabt. Abends sei der Blumenhändler oft spät nach Hause gekommen und habe bei den Nachbarn im Hochparterre geklingelt, weil er den Hausschlüssel vergessen hatte, sagte der Zeuge. Wie der 60-Jährige dann in seine Wohnung im zweiten Obergeschoss gekommen sei, wisse er nicht. «Vielleicht hatte er den Wohnungsschlüssel unter der Fußmatte versteckt.» Die Nachbarn hätten mit Bestürzung auf seinen Tod reagiert.