Neue Vorwürfe im Fall der Northvolt-Fabrik

Im Zusammenhang mit dem Bau der Fabrik von Northvolt bei Heide sind neue Vorwürfe gegen Gemeindevertreter bekannt geworden. (Symbolbild)
Im Zusammenhang mit dem Bau der Fabrik von Northvolt bei Heide sind neue Vorwürfe gegen Gemeindevertreter bekannt geworden. (Symbolbild) Foto: Christian Charisius/dpa

Heide (dpa) – Im Fall der Ansiedlung einer Northvolt-Batteriefabrik bei Heide in Schleswig-Holstein steht der Vorwurf einer möglichen Befangenheit gegen Gemeindevertreter im Raum. Es geht um eine Zahlung von Northvolt an Jagdgenossenschaften.

«Die Gespräche zwischen den beiden betroffenen Gemeindevertretern und Northvolt waren hier in der Amtsverwaltung nicht bekannt», sagte der Leitende Verwaltungsbeamte Björn Jörgensen der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung berichtet.

Auch die von dem Unternehmen geleistete Zahlung sei der Amtsverwaltung nicht bekannt gewesen, sagte Jörgensen. «Es gab keine Anhaltspunkte, im Zusammenhang mit der Jagd auf Befangenheit zu prüfen.» Er sei durch eine Presseanfrage Anfang der Woche erstmals mit diesem Vorgang konfrontiert worden. «Ich habe noch kein vollständiges Lagebild, bin jedoch zuversichtlich, dass sich der Verdacht einer Befangenheit in beiden Fällen entkräften lässt.»

Landrat Thorben Schütt sagte dpa, nach Einschätzung der Kommunalaufsicht des Kreises Dithmarschen bestehe bei Jagdpächtern und Jagdausübungsberechtigten einer Jagdgenossenschaft in der Regel keine Befangenheit. «Vor diesem Hintergrund gibt es nach dem derzeitigen Kenntnisstand keinen Grund für die Wiederholung der Abstimmung.» Der Kreis habe am Montag von dem mutmaßlichen Sachverhalt erfahren.

Northvolt zahlte 3.000 Euro

Ein Northvolt-Sprecher sagte, das Thema der Verkleinerung bestehender Jagdflächen durch die Jagdgenossenschaft Lohe-Rickelshof, der Nachbargemeinde von Norderwöhrden, sei im Rahmen des Bauleitplanverfahrens angesprochen worden.

Neben Kompensationen für diverse Eingriffe im Zuge des Baus der Fabrik sei für den Wegfall von Jagdflächen eine freiwillige Abfindung in einer symbolischen Höhe von jeweils 3.000 Euro für die beiden Jagdgenossenschaften, nicht für Einzelpersonen, festgelegt worden.

«Entsprechend gab es keine Gegenleistungen von Einzelpersonen», sagte der Sprecher. Die Jagdgenossenschaft Norderwöhrden habe am 16. Mai 2024 um die Auszahlung gebeten. Das Geld sei am 14. August von Northvolt auf das Konto der Jagdgenossenschaft überwiesen worden. «Über die Verwendung der Summe durch die Jagdgenossenschaft hat Northvolt keine Kenntnis.»

Knappe Entscheidung

Mit vier zu drei Stimmen hatte der Gemeinderat von Norderwöhrden am 22. Januar 2024 den Plänen von Northvolt für den Bau einer Batteriefabrik bei Heide zugestimmt. Bereits wenige Tage zuvor hatte die zweite Standortgemeinde Lohe-Rickelshof einstimmig die entsprechenden Beschlüsse gefasst.

Der Professor für Öffentliches Recht an der Uni Oldenburg, Volker Boehme-Neßler, sagte der «Bild»-Zeitung, «wer eigene Interessen im Spiel hat, kann nicht mehr unparteiisch für das Gemeinwohl entscheiden. Weil zwei befangene Ratsmitglieder abgestimmt haben, ist der Beschluss über den Bebauungsplan rechtswidrig.»

Northvolt will bei Heide Batteriezellen für bis zu eine Million Elektroautos pro Jahr bauen. Den Startschuss für den Bau des 4,5-Milliarden-Euro-Projekts gaben Ende März 2024 unter anderem Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Früheren Angaben zufolge plant Northvolt, in der zweiten Jahreshälfte 2027 mit der ersten Zellmontage in Heide zu beginnen. In Anschluss soll der Fabrikhochlauf starten. 

Geldnot

Northvolt ringt seit längerem mit Finanzproblemen. Im Zuge der Krise hatte Northvolt im September die Entlassung von schätzungsweise 1.600 Mitarbeitern in Schweden angekündigt und im November in den USA Gläubigerschutz beantragt. Es meldete dort ein Restrukturierungsverfahren gemäß Chapter 11 des US-Insolvenzrechts an.

Mit dem Restrukturierungsverfahren zielt das Unternehmen darauf ab, sich vor Forderungen von Gläubigern zu schützen, während es sich neu aufstellt und um seine eigenständige Zukunft ringt.

Die Krise bei dem Unternehmen könnte für den Bund und das Land Schleswig-Holstein teuer werden. Northvolt hat rund 600 Millionen Euro von der staatlichen Förderbank KfW erhalten, für die Bund und Land je zur Hälfte bürgen. Schleswig-Holsteins Landesregierung will ihren Anteil mit zusätzlichen Schulden finanzieren.

Eine Regierungssprecherin sagte in Kiel, «wir gucken uns den jetzt bekanntgewordenen Sachverhalt an und werten ihn entsprechend aus.» Dazu stehe die Staatskanzlei auch mit Amt und Kreis in Kontakt.