Hamburg (dpa/lno) – In Hamburg ist die Zahl der im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität geführten Ermittlungsverfahren im vergangenen Jahr zwar gesunken. Einen deutlichen Anstieg gab es laut der Senatsantwort auf eine Große Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion zur Entwicklung der Organisierten Kriminalität (OK) aber bei dem durch die illegalen Geschäfte entstandenen Schaden. Und auch die Erträge, die damit erwirtschaftet wurden, schnellten in die Höhe. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht die Zahlen mit Sorge.
15 OK-Verfahren habe die Polizei 2023 an das Bundeskriminalamt gemeldet, heißt es in der Antwort. Das waren vier Ermittlungsverfahren weniger als im Vorjahr – ein Rückgang um mehr als 20 Prozent. 24 Festnahmen seien erfolgt und 29 Haftbefehle erlassen worden.
Zugleich stiegen die in den Verfahren bezifferten Schäden dem Senat zufolge auf 20,3 Millionen Euro. Die Erträge der Täter wurden mit über 36 Millionen Euro angegeben. Im Zuge der Verfahren seien Vermögenswerte im Umfang von gut 10,3 Millionen Euro gesichert worden.
In den 19 Verfahren, die 2022 in Hamburg geführt wurden, lagen die Taterträge mit gut 17,5 Millionen Euro noch nicht einmal halb so hoch. Damals waren nach Senatsangaben Vermögenswerte im Umfang von 151.000 Euro vorläufig gesichert worden.
Hafenstadt Hamburg zunehmend von Drogenhandel betroffen
Hamburg sei mit seinem Hafen in besonderer Weise von Organisierter Kriminalität und hierbei vor allem vom internationalen Drogenhandel betroffen, heißt es in der Senatsantwort. «Das von der Organisierten Kriminalität ausgehende erhebliche Gefahren- und Bedrohungspotenzial für den Staat und die Gesellschaft nimmt der Senat sehr ernst, die Bekämpfung dieser Strukturen hat oberste Priorität.»
Mit den sogenannten EncroChat-Verfahren sei den Ermittlungsbehörden bereits ein wichtiger Erfolg bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gelungen. «Darüber hinaus zeigen sich die fortgesetzten Anstrengungen der Strafverfolgung auch in den Fallzahlen zur öffentlich wahrnehmbaren Rauschgiftkriminalität sowie im Vorgehen gegen den bandenmäßigen und organisierten Handel und Schmuggel von Betäubungsmitteln», schreibt der Senat. Erst kürzlich hatte der Senat mit der «Allianz sicherer Hafen» und der Einrichtung eines Hafensicherheitszentrums auf die Bedrohung durch den Drogenhandel reagiert.
Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht Zahlen skeptisch
Die sinkende Zahl der Ermittlungsverfahren lasse noch keine Rückschlüsse auf die Entwicklung der Organisierten Kriminalität zu, sagte der Hamburger Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Jan Reinecke, der Deutschen Presse-Agentur. «Es gilt der alte Leitspruch: Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, heißt, diese zunächst auch zu erkennen zu wollen.» Dazu fehle in Deutschland jedoch der politische Wille.
So verhinderten etwa Datenschutzbestimmungen die Aufklärung der Strukturen, sagte er. Deshalb gelte Deutschland nach wie vor als Rückzugsland der Organisierten Kriminalität. Außerdem fehlten hierzulande spezielle «Mafia-Gesetze» wie in den USA oder Italien. «So werden in Deutschland OK-Täter nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, sondern nur für von Ihnen begangene Straftaten bestraft.»
CDU fordert konsequente Abschöpfung von Vermögenswerten der Täter
Den starken Anstieg bei den gesicherten Vermögenswerten will Reinecke ebenfalls nicht als Schlag gegen die Organisierte Kriminalität verbuchen. Vielmehr wirkten diese «allein schon im Hinblick auf die Tonnen an Kokain im Werte vieler Milliarden-Euro, die zunehmend über den Hamburger Hafen eingeschmuggelt und anteilig auf den Straßen Hamburgs über Drogentaxisyndikate verkauft werden, als verschwindend, ja unbedeutend gering».
Auch CDU-Fraktionschef Dennis Thering sieht die hohen Erträge der Organisierten Kriminalität kritisch: «Hier müssen dringend konsequente Vermögensabschöpfungsmaßnahmen erfolgen, damit die Täter endlich zu spüren bekommen, dass Straftaten sich nicht lohnen», sagte er der dpa.
Senat: Keine Anzeichen für Clankriminalität in Hamburg
Bei gut der Hälfte der 99 in den Verfahren des vergangenen Jahres ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich laut Senatsantwort um deutsche Staatsbürger. Der Rest verteilt sich demnach auf knapp 20 andere Nationalitäten, wobei albanische Staatsbürger mit zwölf Verdächtigen die größte ausländische Gruppe bildeten.
Hinweise auf Clankriminalität wie beispielsweise in Berlin oder Nordrhein-Westfalen sieht der Senat in Hamburg nicht. Danach gefragt, verwies er auf seine Antwort auf eine CDU-Anfrage aus dem vergangenen Jahr: «Im Gegensatz zu den stark betroffenen Ländern konnten in Hamburg weiterhin keine Clanstrukturen im Sinne der Fragestellung festgestellt werden», hieß es darin.
Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.