Hamburg (dpa) – 50.000 Zuschauer statt nur 500, Nationalspieler statt Regionalliga-Halbprofis, Borussia Dortmund statt Blau-Weiß Lohne oder SV Todesfelde: Der Ausflug in den DFB-Pokal und ins Hamburger Volksparkstadion wird für die meisten Spieler des Viertligisten 1. FC Phönix Lübeck wie eine Reise in eine andere Fußball-Welt.
«Es wird sehr, sehr wichtig, dass wir mit den ganzen Emotionen und dieser Zuschauerpräsenz mental klarkommen. Fußball spielen können wir», sagte Trainer Christiano Adigo am Donnerstag bei der Pressekonferenz in Hamburg zu dem Spiel am Samstag (18.00 Uhr/Sky). Sein Kapitän Johann Berger meinte, er wolle seinen Mitspielern vor dem größten Spiel der Club-Geschichte mitgeben, «dass wir unaufgeregt und nicht verkrampft sein sollten und einfach unser Bestes geben».
Der Verein aus Schleswig-Holstein ist zum zweiten Mal im DFB-Pokal dabei. Das erste Mal war in der Saison 1976/1977. Nun geht es gegen den Riesen Borussia Dortmund – in der Vorsaison Champions-League-Finalist und insgesamt fünfmal DFB-Pokalsieger.
Druck auch bei BVB-Trainer Nuri Sahin
«Das ist schon ein Brett, was auf uns zukommt. Das ist uns schon bewusst. Wir werden aber bereit sein», sagte Adigo und zieht den üblichen biblischen Vergleich heran. Es habe auch keiner David gegen Goliath eine Chance eingeräumt, sagte er. «Aber wie das ausging, das weiß jeder.» Für die Sensation müsse viel zusammenkommen, räumte er ein. «Man kann nur hoffen, dass die Borussia Phönix Lübeck unterschätzt.»
Er sieht aber auch einigen Druck bei seinem BVB-Kollegen Nuri Sahin, der im DFB-Pokal seinen Pflichtspiel-Einstand als Cheftrainer der Dortmunder gibt. «Die wollen ja nicht hier den ersten Titel verlieren», meinte Adigo. «Das kann schon lähmen. Und das ist die Chance, die wir haben.»
Zugleich zeigte er sich auch sehr selbstbewusst: «Wir sind die Adler. Es ist ja bekannt, dass Gott den Adlern die Flügel verleiht und sie fliegen und fliegen und werden nie müde.»
Nicht alle HSV-Fans finden Vermietung «ihres» Stadions gut
Der Umzug des Tabellendritten der Vorsaison der Regionalliga Nord vom heimischen Buniamshof mit seiner Kapazität von 3000 Zuschauern war aus Sicherheitsgründen notwendig. In die Heimstätte des Stadt- und Ligarivalen VfB Lübeck an der Lohmühle umzuziehen, wäre schon wegen der Fanrivalität kaum zu erklären gewesen. So blieb das etwa 75 Kilometer entfernte große Volksparkstadion in Hamburg als Ausweichquartier.
Zwei Tage vor dem Spiel in Hamburg waren bereits 49.700 Tickets abgesetzt worden. 16.000 Karten gingen an den Bundesligisten aus Dortmund, 3.000 waren für die Lübecker reserviert. Das Volksparkstadion hat 57.000 Plätze, 10.000 davon sind HSV-Fans vorbehalten.
Finanziell lohnt sich der Umzug für den HSV und für Phönix. Die Hamburger sollen 300.000 Euro erhalten. Mit derselben Summe dürfen die Lübecker rechnen. Dazu kommen für die Teilnahme an der ersten Pokal-Runde noch 209 .453 Euro an Prämien des DFB. Der Saisonetat von Phönix beträgt etwa 1,5 Millionen Euro.
Die Vermietung gefällt aber nicht jedem Anhänger des Hausherrn Hamburger SV. Im Zweitliga-Spiel gegen Hertha BSC am Samstag protestierten einige mit Plakaten gegen die Vermietung «ihrer» Arena.
«Bei Donezk noch auf Wohltäter gemacht. Bei Phönix nur an die Asche gedacht. Unser Stadion ist kein Airbnb, ihr Geier!», schrieben Ultras auf ein Banner. Schon für die Champions-League-Spiele hatte der HSV dem ukrainischen Topclub Schachtar Donezk das Stadion zur Verfügung gestellt.
Den Unmut sieht Adigo gelassen. «Wir wissen, dass der Hamburger SV ein sehr, sehr gute und tolle Fankultur hat. Und jeder kann seine Meinung äußern», sagte der Trainer. «Das muss man nicht überbewerten.»