Hamburg (dpa/lno) – Sieben Monate nach einem beinahe tödlichen Angriff auf einen Mann am Hamburger Hauptbahnhof hat am Landgericht ein Prozess gegen zwei Angeklagte begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden Männer wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt, einen von ihnen auch wegen Bedrohung. Die beiden Beschuldigten sollen in der Nacht zum 12. Mai vergangenen Jahres einen 28-Jährigen in der U-Bahnstation Hauptbahnhof Nord angegriffen und durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt haben.
Verfolgungsjagd über den Bahnsteig
Der 28-Jährige hatte sich laut Anklage zunächst noch wehren können und flüchtete über den Bahnsteig. Beide Angeklagte verfolgten ihn und sollen mit Messern auf ihn eingestochen haben. Er wurde am Oberschenkel und am Bauch verletzt. Außerdem habe einer der Beschuldigten Pfefferspray eingesetzt. Auf den am Boden liegenden Mann sollen die Angeklagten noch eingeschlagen haben.
Opfer fast verblutet – Bruder bedroht
Der Verletzte wurde durch eine Notoperation gerettet. Nach Angaben der Staatsanwältin war er so tief an Magen und Leber verletzt, dass anderthalb Liter Blut in den Bauchraum liefen. Zwei Tage nach der Tat soll einer der Angeklagten den Bruder des Opfers in einer Flüchtlingsunterkunft angerufen und ihm gedroht haben: «Was ich deinem Bruder angetan habe, werde ich auch dir antun.»
Angeklagter bestreitet Messertat
Der offiziell 21 Jahre alte Angeklagte aus Tunesien bestritt in einer Erklärung seines Verteidigers, bei der Tat ein Messer dabeigehabt und zugestochen zu haben. Der 28-Jährige habe seinen Freund angegriffen und ihn beleidigt. Er selbst habe das Pfefferspray nur eingesetzt, weil der 28-Jährige anscheinend zu einem Messer greifen wollte.
Schlägerei Wochen vor der Tat am Hauptbahnhof
Anfang 2024 seien alle noch befreundet gewesen. Die Gruppe habe gemeinsam Silvester auf der Reeperbahn gefeiert. Später sei es zum Streit gekommen. Bereits vor der Tat habe es am 17. April 2024 eine körperliche Auseinandersetzung am Hauptbahnhof gegeben, die erst mit Einschreiten der Polizei endete.
Identität eines Angeklagten unklar
Die Identität des Mitangeklagten steht nach Angaben des Vorsitzenden Richters David Vymer nicht fest. Angeblich ist er Tunesier und erst 19 Jahre alt. Das Gericht will nun das Alter – wie schon beim Mitangeklagten – von einem Gutachter bestimmen lassen. Seine Verteidigerin kündigte eine schriftliche Erklärung ihres Mandanten für den nächsten Verhandlungstag an.
Tat vor zahlreichen Zeugen
Über die Tat am frühen Morgen des Sonntags nach Himmelfahrt hatte die Hamburger Polizei nach eigenen Angaben nicht berichtet. Auf Videoaufnahmen von Überwachungskameras, die im Gerichtssaal gezeigt wurden, waren zahlreiche Menschen auf dem Bahnsteig und im Zug der Linie U2 zu sehen, mit dem die Angeklagten vom Jungfernstieg zum Hauptbahnhof gefahren sein sollen. Der erste Angriff auf den 28-Jährigen und dessen Flucht und Verfolgung über den Bahnsteig geschahen demnach vor zahlreichen Zeugen. Eine Kamera in dem stehenden Zug erfasste auch die Stimme eines Mannes – offenbar der U-Bahnfahrer -, der um Verständigung der Polizei bat.