Stehaufmännchen Kubicki – Konsequenz hat ein Gesicht?

Wie sieht die Zukunft für Wolfgang Kubicki aus?
Wie sieht die Zukunft für Wolfgang Kubicki aus? Foto: Felix Müschen/dpa

Kiel/Berlin (dpa/lno) – Hoffnungsträger, Prügelknabe, Staatsmann und stets für eine Überraschung gut – was wird aus einer der schillerndsten Figuren der FDP, dem Juristen Wolfgang Kubicki aus dem idyllischen Strande bei Kiel? Klar ist nur, dass seine Partei dem neuen Bundestag nicht angehört. Kurz nach der Wahlschlappe am Sonntag verkündete der 72-Jährige seinen politischen Rückzug. Am Morgen dann die Kehrtwende: Kubicki erwägt, als Nachfolger von Christian Lindner für den Parteivorsitz zu kandidieren.

«Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren», schrieb Kubicki auf der Kurznachrichtenplattform X. 

Das hatte am Abend noch ganz anders geklungen: «Ja, dann ist für mich politisch Schluss, denn ich werde in der nächsten Woche 73 Jahre alt», sagte Kubicki dem «Flensburger Tageblatt». Die Liberalen flogen mit 4,3 Prozent aus dem Bundestag.

Erfolge

2009 führte der in Braunschweig geborene Jurist die Liberalen nach Jahrzehnten mit dem Rekordergebnis von 14,9 Prozent wieder in die Landesregierung – mit der CDU fuhr er in finanziell schwerer Zeit einen harschen Sparkurs. 2012 schafften die Liberalen gegen den Bundestrend 8,2 Prozent. Dadurch veränderte sich bundesweit das Image Kubickis. Gemeinsam mit Christian Lindner avancierte er zum Hoffnungsträger der Bundespartei. Seit 2013 ist Kubicki stellvertretender Bundesvorsitzender.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagt, Kubicki sei für ihn immer ein verlässlicher Partner gewesen, in der Opposition wie in gemeinsamen Regierungszeiten. «Ohne ihn hätte der Start der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP 2017 nicht so reibungslos funktioniert.» Bei aller Scharfzüngigkeit übernehme er stets staatspolitische Verantwortung. «Er ist jemand, mit dem man politisch eine Menge reißen kann.»

Delle

1989 wurde Kubicki Vorsitzender der FDP in Schleswig-Holstein. 1992 zog er nach zwei Jahren im Bundestag erstmals in den Landtag ein. Wegen seiner Berater-Tätigkeit für das Nachbar-Bundesland Mecklenburg-Vorpommern im Kontext der umstrittenen Sondermülldeponie Schönberg geriet er 1993 so unter Druck, dass er als Landespartei- und Fraktionschef zurücktrat. Nach der Landtagswahl 1996 rückte er wieder an die Spitze der Fraktion und wurde immer einflussreicher.

Von Kiel aus teilte er lange gern gegen die eigene Parteiführung aus, verglich einmal den Zustand der Liberalen mit der Spätphase der DDR, sprach ein anderes Mal von einer Trümmertruppe.

Seinen Abschied hat Kubicki nicht das erste Mal angekündigt. Bereits vor mehr als zehn Jahren wollte er auf Drängen seiner Frau nach damals 22 Jahren seine Landtagskarriere beenden. «Meine Lebensplanung besteht darin, dass es meine letzte Legislatur sein wird», sagte Kubicki noch als Fraktionschef in Kiel im Blick auf die Landtagswahl 2017.

Später Wechsel

Doch es kam anders. Hatte Kubicki früher noch gesagt, in der Hauptstadt könnte er zum Hurenbock und Trinker werden, bekannte er später: «Jetzt bin ich sittlich und moralisch gefestigt für Berlin.» Es folgte die Wahl in den Bundestag 2017. Später schloss er auch einen Kabinettsposten nicht mehr aus. «Jeder weiß, dass Minister zu sein nicht mein Herzenswunsch ist», sagte er damals der Deutschen Presse-Agentur. «Aber grundsätzlich ist neben dem Kanzleramt natürlich das Finanzministerium von besonderer Bedeutung.»

Er blieb dennoch ewiger Parlamentarier. Minister wurde er nie, aber nach der Bundestagswahl 2021 dennoch Staatsmann – mit Ende 60 als Vizepräsident des Deutschen Bundestags. Dort zeigte er sich mit Anfang 70 angriffslustig wie eh und je. 

Wenn er Politiker aus dem Ampel-Regierungslager wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), CDU-Chef Friedrich Merz oder Markus Söder (CSU) ins Visier nahm, teilte er in alle Richtungen gleichermaßen aus. Ob Corona-Politik, Atomausstieg, Gebäudeenergiegesetz oder Aktivitäten der Letzten Generation – mit Klartext von Kubicki kann man stets rechnen.