Hamburg (dpa/lno) – In der Spitze bis zu 16.000 Menschen haben in Hamburg gegen einen Besuch von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel im Rathaus der Hansestadt demonstriert. Bis auf mehrere Versuche, die Absperrungen zum Rathaus zu durchbrechen, sei der Protest friedlich geblieben, sagte ein Polizeisprecher. Um Demonstranten vom Rathaus fernzuhalten, sei auch «unmittelbarer Zwang, unter anderem in Form von körperlicher Gewalt und Pfefferspray» eingesetzt worden.
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte zu der Demonstration unter dem Motto «Alle gegen Faschismus! Alle gegen Alice Weidel und die AfD!» aufgerufen. «Die Bundesvorsitzende und Kanzlerkandidatin der völkischen AfD (möchte) im Hamburger Rathaus Hass und Hetze verbreiten. Dem widersetzen wir uns energisch», hieß es in dem Aufruf.
Polizei sichert Besuch Weidels mit Großeinsatz
Die Polizei sicherte einen großen Demonstrationszug vom Hauptbahnhof zum Rathaus mit einem Großaufgebot. Auch mehrere Wasserwerfer standen bereit, um den Bannkreis um den Sitz der Bürgerschaft zu schützen.
Im Einsatz waren den Angaben zufolge rund 1.500 Beamte. Dabei wurde die Hamburger Polizei von Kollegen aus Berlin, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie von der Bundespolizei unterstützt.
Protest op Platt: «Keen Platz för Nazis!»
Bei der Auftaktkundgebung am Bahnhof waren junge und alte Demonstranten und auch Familien mit Kindern zu sehen. Einige Teilnehmer trugen selbst gemalte Schilder mit Aufschriften wie «Demokratie schützen!» und «Radical Love Now!». Daneben gab es Transparente, auf denen «Revolution» oder «Kapitalismus abschaffen» gefordert wurde.
An der Fassade des Deutschen Schauspielhauses hing eine große Aufschrift «Kein Platz für Nazis», am benachbarten Ohnsorg-Theater war die Botschaft auf Plattdeutsch zu lesen: «Keen Platz för Nazis!»
In Sprechchören skandierten die Demonstranten «Ganz Hamburg hasst die AfD!» und «Hoch die internationale Solidarität!». Vor der Rathausabsperrung am Jungfernstieg riefen zum Teil vermummte Teilnehmer: «Deutsche Polizisten schützen die Faschisten.»
Weidel: Schlägertrupps vom Bürgermeister protegiert
Weidel sprach am Abend auf einer Veranstaltung der AfD-Bürgerschaftsfraktion vor rund 1.000 Gästen im Großen Festsaal des Rathauses. Da der Platz nicht ausreichte, wurden einige Besucher auf die anderen Säle verteilt und die Reden aus dem Festaal dort auf großen Bildschirmen übertragen.
Obwohl die Proteste vor dem Rathaus weitgehend friedlich verliefen, sprach die AfD-Chefin von «Schlägerbanden», die vom Hamburger Bürgermeister «protegiert» würden. Auch die jüngsten, teils gewaltsamen Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag im sächsischen Riesa erinnerten sie an dunkelste NS-Zeiten und an die «SA, die auch auf Andersdenkende eingeschlagen hat», sagte sie.
Schon vor ihrem Eintreffen im Rathaus hatte Weidel selbst in einem Video auf X erklärt, sie freue sich auf den Auftritt. «Ich habe mir extra für die Antifa diesen Herzchenpulli angezogen», sagte sie mit Blick auf einen schwarzen Pullover mit roten Herzen, den sie im Auto trug. «Make love, not war», fügte sie mit einem Grinsen hinzu.
Ihre Rede im Rathaus, in der sie ausführte, dass die AfD dafür sorgen werde, «dass Deutschland wieder großartig wird – reich und sicher», schloss sie mit «mit herzlichen Grüßen an die rot-grüne (Hamburger) Regierung. Ich komme wieder», versprach sie lachend.
Bürgermeister spricht von ungebetenen Gästen im Rathaus
Damit regierte sie auf Äußerungen von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der im Vorfeld der AfD-Veranstaltung von «ungebetenen Gästen» im Rathaus gesprochen und an die in der Hamburgischen Verfassung festgeschriebenen Vielfalt und Weltoffenheit der Hansestadt erinnert hatte. «Aber unsere Demokratie ist stark und wehrhaft», schrieb er auf X und postete die Präambel der Verfassung, die festschreibt, dass die Stadt die Würde und Freiheit aller Menschen schützt.
«Sie setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein», heißt es dort weiter. Und: «Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.»
Dem hatten sich auch Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) und CDU-Landeschef Dennis Thering angeschlossen. Thering postete: «Alice Weidel ist in Hamburg nicht willkommen!»