«Ich will, dass wir wieder viel, viel mehr werden», sagte Goldschmidt. Sie wolle deshalb um Tarifverträge mit einem echten Inflationsausgleich und eine höhere Tarifbindung kämpfen. «Unsere Mitglieder müssen es in ihrem Portemonnaie spüren, dass es sich lohnt, bei uns Mitglied zu sein.» Aber auch eine Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen wie Fridays for Future wolle sie forcieren, sagte Goldschmidt, die auch Mitglied der Grünen ist. Öffentliche Aufträge sollten ihrer Auffassung nach zudem nur noch an tarifgebundene Unternehmen gehen und die Sozialversicherungssysteme ausgebaut werden.
«Die starken Schultern müssen dringend wieder mehr tragen als Schwache», sagte Goldschmidt. Und damit meine sie ausdrücklich nicht die Mittelschicht, die ohnehin schon den Großteil der Steuern aufbringe und trotzdem Angst haben müsse, in die Armut abzurutschen. «Die sich oft von den demokratischen Parteien und ehrlicherweise mindestens manchmal von uns Gewerkschaften nicht vertreten fühlen.»
Die neue Gewerkschaftschefin betonte am Jahrestag des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine, dass der Krieg nicht geduldet werden dürfe. Sie stehe solidarisch an der Seite der Ukraine und ihrem Wunsch, sich zu verteidigen. Das von Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte Ziel, die Verteidigungsausgaben in Deutschland auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, halte sie jedoch für «definitiv falsch». Zum einen führe jede Aufrüstung am Ende zu noch mehr und längerem Krieg, Leid und Tod, zum anderen werde das Geld an anderer Stelle dringend gebraucht.
Verdi-Bundeschef Werneke sagte: «Hände weg vom Streikrecht.» Dieses sei ein Grundrecht, habe Verfassungsrang. «Dieses Grundrecht werden wir mit allen Mitteln verteidigen», warnte der Gewerkschafter. Er reagierte damit auf Forderungen der Bundesvorsitzenden der CDU-Mittelstandsgesellschaft MIT, Gitta Connemann, die sich für Einschränkungen beim Streikrecht einsetzt.
Die Beteiligung an den jüngsten Warnstreiks im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen nannte Werneke herausragend. Bis zur dritten Verhandlungsrunde, die am 27. März beginnt, werde es weitere Proteste geben. Danach werde sich zeigen, ob es zu einem Tarifabschluss komme oder sogar Erzwingungsstreiks notwendig werden könnten: «Ein solidarischer Gruß geht daher von dieser Konferenz sicher auch an alle kampfbereiten Kolleginnen und Kollegen.»
Bürgermeister Tschentscher sagte mit Blick auf eine Tarifbindung von nur 43 Prozent: «Das ist ein Punkt, der uns sehr schmerzt, dass wir es nicht hinbekommen in einer so starken Volkswirtschaft wie Deutschland, dass alle mit gesicherten Tarifen arbeiten können.» Das sei eine grundlegende Frage, die nach wie vor auf der Agenda stehe. Kritisch zeigte er sich auch beim Umgang der Kirchen mit ihren Angestellten. «Es ist schon nicht mehr zeitgemäß, dass kirchliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in der gleichen Art und Weise durch Arbeitnehmerrechte unterstützt werden wie alle anderen.»
Neben Bose schied auch die bisherige Verdi-Vize Sieglinde Frieß aus dem Vorstand aus. Die beiden freigewordenen Vizeposten besetzte die Landesbezirkskonferenz mit der Landesfachbereichsleiterin Handel, Heike Lattekamp (60), sowie mit dem Fachbereichsleiter Ver- und Entsorgung, Energie, Wasser- und Abfallwirtschaft, Ole Borgard (36). Lattekamp erhielt rund 85 Prozent Ja-Stimmen, Borgard 96 Prozent.
Vor ihrer Wahl zur Landesbezirksleiterin kümmerte sich Goldschmidt als Verdi-Vize unter anderem um die Bereiche Frauen und Gleichstellung, Jugend und Selbstständige sowie um die Themen Mitgliederservice und Organisationsentwicklung. Die in Schwäbisch Gmünd geborene, ausgebildete Fotografin lebt mit ihrem Mann und drei schulpflichtigen Kindern in Hamburg-Stellingen.