Weniger Senioren lernen in den Hörsälen des Nordens

Der Austausch mit älteren Menschen eröffnet Studenten neue Perspektiven. (Symbolbild)
Der Austausch mit älteren Menschen eröffnet Studenten neue Perspektiven. (Symbolbild) Foto: Friso Gentsch/dpa

Hamburg/Greifswald/Flensburg (dpa) – In den Hochschulen in Hamburg, MV und Schleswig-Holstein haben sich seit der Corona-Pandemie deutlich weniger Senioren als Gasthörer eingeschrieben. Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur an den staatlichen Hochschulen der Länder ergab, sanken die Zahlen der Senior-Gasthörer im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie teilweise stark.

Die größte Hochschule in Norddeutschland, die Universität Hamburg, hat rund 400 ältere Gasthörer weniger. Waren es im Wintersemester 2019/20 noch 2.190 Senioren, die an der Universität lernten, so sind es aktuell nur noch 1.785, wie Pressesprecher Alexander Lemonakis mitteilte. 

Ganz so niedrig wie zu Hochzeiten der Pandemie seien die Zahlen jedoch nicht mehr. Damals hätten sie teilweise im dreistelligen Bereich gelegen, so Lemonakis. Besonders die geisteswissenschaftlichen Fächer seien bei Senioren beliebt, da sie dort ihre «eigenen Bildungsinteressen befriedigen» könnten, hieß es.

Während der Pandemie fanden die Lehrveranstaltungen an den Universitäten lange Zeit ausschließlich online statt. Ältere Menschen, die mit dem Umgang der Onlinelehre nicht so vertraut waren, hatten oft einen schwierigeren Zugang zum Studium.

Auch das Lernen von Sprachen zählt zum Studium im Alter

«Ein großes Interesse der Senioren liegt darin, sich im Alter geistig fit zu halten», sagte der Pressesprecher der Universität Greifswald, Jan Meßerschmidt. «Viele von ihnen lernen eine neue Sprache. Polnisch für die gute Nachbarschaft oder Litauisch für den nächsten Urlaub im Baltikum.» Die Universität Greifswald habe in den vergangenen Semestern 60 bis 80 Gasthörer gehabt, von denen etwa ein Viertel älter als 60 Jahre alt gewesen sei.

Damit verzeichnet die traditionsreiche Institution in Vorpommern im Gesamtvergleich bei 9.868 Studenten noch recht hohe Einschreibezahlen im «älteren Semester». 

Die Universität Rostock hatte im Wintersemester 2024/25 22 Senioren als Gasthörer, wie sie mitteilte. Geschichte sowie Philosophie und Theologie sind laut Pressesprecherin Kirsten Werner beliebt. Einen deutlich größeren Zulauf habe jedoch die Seniorenakademie, bei der vor allem Menschen direkt nach dem Renteneintritt sinnvolle Beschäftigung fänden. Verschiedene Kurse, jedoch ohne den Kontakt zu jüngeren Studenten, böten die Vertiefung von verschiedenen Interessen. Hier sei ein leichter Rückgang im Vergleich zu den Höchstwerten vor der Pandemie zu erkennen. Waren es für die Seniorenakademie im aktuellen Semester 631 Anmeldungen, so waren es zum Höchststand vor der Pandemie 660. Die Zahlen haben sich also langsam wieder erholt.

Universität zu Lübeck hat derzeit keine Senioren als Gasthörer

An der Uni Flensburg hätten sich die Zahlen der Senioren, die sich als Gasthörer einschrieben, seit der Pandemie von etwa 100 pro Semester halbiert, teilte die Universität mit. Die Universität Lübeck teilte mit, dass es aktuell im Gegensatz zu anderen Jahren gar keine Senioren als Gasthörer gebe. Die Universität in Kiel nannte indes noch keine Zahlen.

Einen besonderen Fall gibt es an der TH Lübeck. Dort gebe es einen Herrn, der sich im Masterstudiengang der Architektur besonders für die Architekturgeschichte interessiere, so Kommunikationsreferentin Johanna Helbing.

Kostenloses Angebot in Neubrandenburg

Ein spezielles Angebot gibt es, ähnlich wie an der Universität Rostock, an der Hochschule Neubrandenburg. Dort findet neben der regulären Möglichkeit als Gasthörer ebenfalls Seniorenschule statt. Dabei handele es sich um kostenlose Vorträge, die Wissenschaftler aus den einzelnen Fachbereichen hielten. Es werde darauf geachtet, dass die Inhalte für jedes Bildungslevel greifbar seien, erläuterte Sprecher André Hesse-Witt.

Für die Umfrage wurden 19 staatliche Hochschulen angefragt, von denen sich 15 zurückmeldeten.

Allgemein betrachten die Bildungseinrichtungen die Senioren als sehr bereichernd. Sie brächten andere Erfahrungen und neue Blickwinkel in die Lehrveranstaltungen ein. Die Senioren nehmen dabei ohne Prüfungsdruck teil und sind dennoch hoch engagiert, wie die befragten Hochschulen mitteilten.