
Hamburg (dpa/lno) – Nach einem deutlichen Anstieg der Kriminalität im Jahr 2023 ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr in Hamburg um 4 Prozent gesunken. Es seien 224.913 Delikte erfasst worden, 9.328 weniger als im Jahr davor, sagte Innensenator Andy Grote bei der Vorstellung der neuen polizeilichen Kriminalstatistik. 2023 hatte der Anstieg knapp 11 Prozent betragen.
Der Rückgang zeige: «Hamburg ist eine sichere Stadt und im letzten Jahr noch ein Stück sicherer geworden», sagte Grote. Die Aufklärungsquote lag mit 47,9 Prozent nur knapp unter dem Wert des Vorjahres von 48,2 Prozent.
Die Gewaltkriminalität nahm um 604 Fälle oder 7,2 Prozent zu. Von den 8.998 Taten wurden 77 Prozent in den beiden Stadtteilen St. Pauli und St. Georg verübt. Zur Gewaltkriminalität zählen Mord und Totschlag, gefährliche und schwere Körperverletzung sowie Vergewaltigungen.
Polizeipräsident Falk Schnabel erklärte den Anstieg vor allem mit der verstärkten Polizeipräsenz am Hauptbahnhof, der zu St. Georg gehört. Dadurch seien viele Taten in das «Hellfeld» geholt worden. Wenn etwa Beamte vor der Drogenhilfe-Einrichtung Drob Inn einen Mann mit einer Platzwunde entdeckten und dieser angebe, er sei geschlagen worden, müsse von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet werden. Es würden vermehrt Taten innerhalb der Drogen- und Trinkerszene angezeigt.
Fast jede vierte Straftat kommt nur bei Kontrollen zur Anzeige
Eine statistische Sonderauswertung zum Hauptbahnhof und zum benachbarten Busbahnhof zeige, dass sich die objektive Sicherheitslage dort verbessert habe. Erst am Mittwoch hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einem Besuch in Hamburg gesagt, die Bundespolizei habe im vergangenen Jahr rund 25 Prozent weniger Gewaltdelikte am Hauptbahnhof erfasst. Schnabel kündigte an, dass die Polizei nun mehr Präsenz im übrigen Stadtteil zeigen werde.
Raubdelikte nehmen zu – aber nur in zwei Stadtteilen
Die Zahl der Raubdelikte stieg hamburgweit um 8,2 Prozent. Der Anstieg erkläre sich allein aus einer sprunghaften Zunahme um 41 Prozent in St. Pauli und St. Georg. Im übrigen Hamburg sei ein Rückgang von 8,8 Prozent zu verzeichnen, erklärte der Leiter des Landeskriminalamts, Jan Hieber.
Die Statistik erfasste 40 Mord- und Totschlagstaten. Das sei ein Rückgang und fast 46 Prozent. Allerdings wird ein Großteil der Verbrechen erst mit jahrelanger Verzögerung erfasst, wenn die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen hat. Die tatsächliche Zahl der Tötungsdelikte für 2024 dürfte nach Einschätzung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter höher liegen.
Mehr Vergewaltigungen
Die Polizei erfasste 3.259 Sexualstraftaten, 3,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Unter den Taten seien zahlreiche Fälle von Exhibitionismus, sexueller Belästigung und des Verbreitens von Kinderpornografie. Die Zahl der erfassten Vergewaltigungen stieg um 8,8 Prozent oder 23 Fälle auf 285 Taten. Knapp die Hälfte der Vergewaltigungen wurde bereits 2023 oder davor verübt.
Die Zahl der Messertaten blieb mit 1.266 (Vorjahr: 1.269) nahezu unverändert – trotz der Einführung einer neuen Waffenverbotszone am Hauptbahnhof im Oktober 2023. In 117 Fällen wurde bei Gewalttaten eine Schusswaffe eingesetzt. Im Vorjahr waren nur 81 derartige Fälle gezählt worden. 53 Mal wurde geschossen, 64 Mal nur gedroht.
Ein Drittel weniger Drogendelikte – dank Cannabis-Legalisierung
Die Zahl der Straftaten je 100.000 Einwohner betrug im vergangenen Jahr 11.750 und ist damit deutlich niedriger als im Vorjahr (12.380). Fast jede vierte erfasste Straftat ist allerdings ein sogenanntes Kontrolldelikt, kommt also wie etwa das Schwarzfahren nur bei Kontrollen zur Anzeige. Auch die Statistik zur Drogenkriminalität kann sich auf diese Weise verändern. Schnabel erwähnte die weitgehende Legalisierung des Cannabis-Besitzes. Allein dadurch sei die Zahl der Rauschgiftdelikte um rund ein Drittel – 5.709 Taten – gesunken.
CDU zweifelt an den offiziellen Zahlen
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Gladiator, bezweifelte, dass die Kriminalität tatsächlich gesunken sei. «Die Realität spricht eine andere Sprache: Insbesondere rund um den Hauptbahnhof, in St. Georg, im Umfeld des Drob Inn, aber auch am Jungfernstieg oder im Phoenix-Viertel in Harburg ist das Sicherheitsgefühl der Hamburgerinnen und Hamburger stark eingeschränkt», erklärte Gladiator.
Sein Kollege von der SPD, Sören Schumacher, verwies wie der Polizeipräsident darauf, dass es sich bei der Gewaltkriminalität in vielen Fällen um milieuinterne Delikte handele, die dank der Polizeipräsenz vermehrt erfasst würden. «Straftaten verschwinden nicht einfach, wenn man sie ignoriert – im Gegenteil: Oft ist es erst ihre konsequente Verfolgung, die die Taten ans Licht und in die Statistik bringt», erklärte Schumacher.
Grüne gegen Law-&-Order-Politik
Die Grünen forderten eine effizientere Nutzung der Polizeiressourcen und nachhaltige Präventionsstrategien. «Genau darauf muss künftig der Fokus liegen, Hamburg darf nicht nur auf eine reine Law-&-Order-Politik setzen», erklärte Innenpolitikerin Sina Imhof. Hamburg brauche neben repressiven Maßnahmen vor allem verstärkte Präventions- und Integrationsangebote.
Nach Ansicht der Linken bekämpft die Kriminalitätspolitik des Senats am Hauptbahnhof nur die Symptome. «Wir würden uns wünschen, dass die Polizei mit demselben Engagement, mit dem sie Obdachlose aus dem Hauptbahnhof vertreibt, auch Wirtschaftskriminelle verfolgen würde», erklärte der Abgeordnete Deniz Celik.
AfD: Bürgern wird Sand in die Augen gestreut
AfD-Fraktionschef sagte: «Hamburg bleibt eine Gewalthochburg und (der) SPD-Senator wirft offenkundig Nebelkerzen. Wer Hamburg als sichere Stadt bezeichnet, streut den Bürgern mutwillig Sand in die Augen.»