
Kiel (dpa/lno) – Vom erklärten Ziel der Politik, die Zahl der Verkehrstoten auf null zu drücken, ist Schleswig-Holstein auch 2024 weit entfernt gewesen. Allerdings waren 86 bei Unfällen getötete Menschen vier weniger als im Vorjahr, wie Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bei der Vorstellung des Verkehrssicherheitsberichts sagte. «Jede verstorbene Person ist eine zu viel», betonte sie. Zudem wurden 2024 insgesamt 15.500 Menschen auf den Straßen im Land verletzt – davon 1.872 schwer.
Die Gesamtzahl der Unfälle in Schleswig-Holstein stieg im vergangenen Jahr leicht. Die Landespolizei registrierte gut 89.900 Verkehrsunfälle. Das waren 1.296 mehr als 2023.
Fast zehn Prozent der Unfälle wegen zu hoher Geschwindigkeit
Als Hauptursache für die Unfälle gelten Fehler beim Abbiegen oder die Missachtung der Vorfahrt. Gut ein Drittel aller Unfälle seien auf diese beiden Ursachen zurückzuführen. Ebenfalls bleibe nichtangepasste Geschwindigkeit mit 9,8 Prozent eine der häufigsten Unfallursachen.
«Passen Sie Ihre Geschwindigkeit immer den Gegebenheiten an, seien Sie stets aufmerksam und achten Sie auf sich und die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer», appellierte daher die Innenministerin. Oftmals entscheide die Geschwindigkeit darüber, wie schwer die Folgen eines Unfalls seien. «Wir können aber alle dazu beitragen, dass es weniger Unfälle gibt. Wir müssen nur umsichtig sein, rücksichtsvoll fahren und vor allem aufmerksam sein», so die Ministerin.
Mehr Tote bei Unfällen auf Autobahnen
Allerdings sank auf den Autobahnen in Schleswig-Holstein die Anzahl der Unfälle von 4.113 im Jahr 2023 auf 3.883 im Jahr 2024. Gleichzeitig stieg die Anzahl der Menschen, die im vergangenen Jahr auf den Autobahnen getötet worden, auf acht. Im Jahr 2023 waren es noch drei.
Ein wachsendes Problem ist das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, landläufig auch Unfallflucht genannt. Die Zahl stieg von knapp 20.000 Fällen im Jahr 2013 auf fast 20.600 Fälle im vergangenen Jahr. Es gab bei diesen Fällen 1.149 leicht verletzte Menschen (+ 8,3 Prozent gegenüber 2013) und 80 schwer verletzte Menschen (+ 15,9 Prozent). Zwei Verkehrsteilnehmer wurden bei Verkehrsunfallfluchten getötet, 2023 war es ein Opfer.
Zahl der verletzten Kinder gestiegen
Auch Unfälle mit Kindern nahmen 2024 zu. 1.196 Fälle waren 0,9 Prozent mehr als 2023. Dabei verunglückten 1.247 Kinder, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 40 Prozent der bei Unfällen verletzten Kinder saßen in einem Kraftfahrzeug.
Die Polizei registrierte eine deutliche Zunahme von Unfällen mit kleinen Elektrofahrzeugen wie E-Scootern. 2023 waren es 543, im vergangenen Jahr 688. Die Beamten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. 607 Menschen wurden dabei verletzt, 31,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Es wurden 68 Unfallbeteiligte schwer verletzt, deutlich mehr als 2023 mit 41 Schwerverletzten. Als Hauptunfallursachen nannte die Polizei falsche Straßenbenutzung und den Einfluss von Alkohol und anderen Drogen.
Sütterlin-Waack erinnerte daran, dass E-Scooter nach Alkoholkonsum keine Alternative zum Auto sind. Es gelten dieselben Grenzwerte und Strafen wie im Auto.
Nach Überzeugung der Grünen-Landtagsabgeordneten Nelly Waldeck ist das Ziel, keine Verkehrstoten mehr zu haben, erreichbar. Die Reform des Straßenverkehrsrechts biete neue Möglichkeiten für mehr Verkehrssicherheit. «Verkehrssicherheit muss über dem Recht auf Rasen stehen.»
Oppositionsfraktionen fordern Handeln der Landesregierung
Der SPD-Abgeordnete Niclas Dürbrook bemängelte, der Landesregierung fehle ein Fahrplan für mehr Verkehrssicherheit. «Das Ziel zu benennen alleine reicht nicht. Innen- und Verkehrsministerium müssen endlich auch sagen, mit welchen Mitteln die Zahl an Unfällen, Verletzten oder sogar Getöteten sinken kann.» Auch die SSW-Abgeordnete Sybilla Nitsch forderte die Landesregierung zum Handeln auf.
Für den Fahrradclub ADFC forderte die Landesvorsitzende Stephanie Meyer, Verkehrssicherheit zum Schwerpunkt der Radverkehrsförderung im Land zu machen. Die Reduzierung der Unfallzahlen gelinge nur mit einer Neuausrichtung der Infrastruktur- und Verkehrsplanung. «Denn nur wer sich sicher fühlt, wird häufiger und mit einem guten Gefühl aufs Rad steigen», sagte Meyer.
Gewerkschaft der Polizei: Appelle reichen nicht
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Torsten Jäger, nannte die Appelle der Innenministerin richtig, aber nicht ausreichend. «Es bedarf einer konsequenten, flächendeckenden Verkehrsüberwachung als staatliche Kernaufgabe», sagte er.