
Hamburg (dpa) – Trümmerteile von drei Autos, ein kaputter Kinderwagen auf der Straße: Die Bilder des Unfalls im August 2024 in Hamburg-Billstedt, bei dem ein Zweijähriger starb und mehrere Menschen verletzt wurden, waren schrecklich. Sieben Monate später stehen nun zwei junge Männer wegen Mordes vor dem Landgericht. Die Anklage geht davon aus, dass sich die beiden Deutschen ein illegales Straßenrennen lieferten und dabei in Kauf nahmen, andere Menschen tödlich zu verletzen.
Die Eltern des getöteten Jungen sind Nebenkläger in dem Prozess, die beiden nicht vorbestraften Angeklagten sitzen in Untersuchungshaft. Am ersten Tag des Verfahrens ist der Zuschauerraum voll besetzt. Als die kräftigen Männer hereingeführt werden, dreht die Mutter ihren Kopf in eine andere Richtung. Tränen laufen über ihr Gesicht, der Vater legt den Arm um sie.
Bei dem Unfall am 26. August im Stadtteil Billstedt wurden sechs Menschen verletzt. Der zunächst lebensgefährlich verletzte Zweijährige starb wenig später im Krankenhaus. Sein Zwillingsbruder und die Mutter erlitten schwere Verletzungen. Die beiden Unfallfahrer sowie eine damals 23 Jahre alte Beifahrerin trugen leichte Verletzungen davon.
Anklage: Fahrer handelten rücksichtslos
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft lauten Mord, versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Angeklagten hätten rücksichtslos gehandelt und bei dem Rennen ein «Gefühl der Überlegenheit» gehabt.
Die beiden Fahrer waren laut Staatsanwaltschaft mit ihren Autos auf dem Schiffbeker Weg unterwegs, als der Wagen der Familie auf die Straße einbog. Er stieß demnach erst mit dem Heck des Autos des jüngeren Fahrers (damals 22) zusammen. Anschließend kollidierte der Wagen des zu diesem Zeitpunkt 24-Jährigen frontal mit der linken Seite des Wagens der Mutter.
Diese beiden Fahrzeuge wurden auf die Gegenfahrbahn geschleudert und vollständig zerstört. Auf der Rückbank des Wagens der Familie saßen die damals zweijährigen Zwillinge in ihren Kindersitzen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren die beiden Angeklagten bei dem Rennen mit 178 km/h und 150 km/h unterwegs – erlaubt war Tempo 50. Laut Nebenklage waren in zwei der Fahrzeuge Kameras. Das Bildmaterial werde man im Prozess anschauen.
Anwalt: Familie geht es psychisch sehr schlecht
Aber auch die Frage, ob die Mutter zuvor möglicherweise falsch abgebogen ist und welche Rolle das für den Unfall spielte, wird im Prozess erörtert werden. Die Verteidigung betont, die Frau sei links statt wie erlaubt rechts abgebogen. Gegen die Frau läuft laut Staatsanwaltschaft wegen dieser Frage parallel ein Ermittlungsverfahren. Ein Anwalt der Nebenklage, Yalçın Tekinoğlu, sagt dazu am Rande des Prozesses: «Selbst wenn sie nach rechts gefahren wäre, wäre es zu dem Unfall gekommen.»
Wer als rücksichtsloser Raser mit seinem Auto einen Menschen tötet, kann als Mörder verurteilt werden. Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im Januar 2019 festgestellt. Die Verteidiger des 23-Jährigen bestreiten eine vorsätzliche Tötungsabsicht ihres Mandanten, die Staatsanwaltschaft habe das nur mit Mutmaßungen begründet. Der Angeklagte äußere aber «ernst gemeintes Bedauern» über den Unfall. Eine Einlassung des anderen Autofahrers soll erst am kommenden Mittwoch erfolgen.
«Der Familie geht es psychisch sehr schlecht», sagt Anwalt Tekinoğlu. Die Eltern haben vier weitere Kinder. Jeden Tag besucht die Familie das Grab des Jungen. 23 weitere Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt – der Vater will an allen teilnehmen.